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-^s^> DIE KÜNSTLERISCHE MEDAILLE UND IHRE GESCHICHTE <§£~u~
wirken seine Medaillen
mit der gleichen
Kraft einer künstlerischen
Offenbarung,
wie vorher die Münzen
der Griechen.
Ein neu eingeführtes
technisches Verfahren
trägt zu dieser
Wirkung wesentlich
bei. Die italienischen
Medaillen des
15.Jahrhundertssind
nicht geprägt, sondern
in Erzguß hergestellt
. Dem Künstler
ist dadurch bei
der Ausführung seines
Modells vollkommene
Freiheit
gewahrt, denn das
flüssige Erz nimmt
dieses Modell in seiner ganzen Weichheit
auf, schmiegt sich den leisesten Schwellungen
der modellierten Fläche gehorsam an und
gibt so die künstlerische Idee des Meisters
in der vollen ursprünglichen Frische des
Entwurfes wieder, während dem geprägten
Bilde leicht eine gewisse Härte, der Beigeschmack
des Maschinellen, anhaftet. Mit welcher
Meisterschaft Vittore Pisano die sich darbietenden
Vorteile benützt, wie er aus ihnen
seinen feinen Reliefstil entwickelt, dafür diene
seine Medaille auf Malatesta Novellus, Herrn
von Cesena, als Beispiel, besonders die köstliche
Rückseite (Abb. S. 194). In zartester
Hebung ist das Relief nicht auf die Fläche
aufgesetzt, sondern aus ihr herausmodelliert,
mit duftigen, verschwimmenden Konturen
J. C. CHAPLAIN
in den Grund verschmelzend
, der für
uns zum Räume wird,
in den hinein sich
das Bild vertieft:
man spürt den Geist
des „Malers" Pisano,
wie er selbst sich auf
seinen Medaillen zu
nennen pflegt.
Mit dieser und
einer Reihe verwandter
, gleich vollendeter
Schöpfungen
trat Vittore Pisano
in die Reihe
der künstlerischen
Pfadfinder, dessen
Spuren eine große
Zahl gleichstrebender
Genossen folgte.
Der Freude an dem
neu erworbenen Besitz entspricht eine ausgebreitete
Tätigkeit, die in Italien während
des ganzen 15. und bis in das 16. Jahrhundert
hinein in voller Frische und ungeminderter
Kraft andauert, bald aber nicht auf das Heimatland
der Medaille beschränkt bleibt. In Frankreich
zuerst, und später, im 16. Jahrhundert,
namentlich in Deutschland, findet der neue
Gedanke fruchtbaren Boden, und die Medaille
bleibt von da an ein Wirkungsfeld der Plastik,
die Stilwandlungen der großen Kunst aufsaugend
und reflektierend.
Diese Stilwandlungen sind freilich dem fein-
gliedrigen, sensitiven Organismus der Medaille
nicht immer förderlich gewesen. Mit dem
16. Jahrhundert hat die Medaillenkunst einen
Höhepunkt der Entwicklung erreicht. Unter
MEDAILLE AUF E. MEISSONIER
J. C. CHAPLAIN
MEDAILLE AUF J. E. DELAUNAYE
VORDER- UND RÜCKSEITE
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