Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 17. Band.1908
Seite: 252
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Als Gauguin nach Tahiti kam, war er
43 Jahre alt. Er hatte die 35 Jahre bürgerlichen
Lebens hinter sich — und die acht
ersten Jahre der Not und des vergeblichen
Ringens als Künstler. Er hatte in Pont-Avens
mit Denis und Bonnard und Vuillard gearbeitet
— und hatte in Paris für drei Franken
pro Tag Plakate angeklebt — um das nackte
Leben zu fristen. Er war bei den Impressionisten
in die Lehre gegangen, hatte auf Martinique
unter der glühenden tropischen Sonne
das Ziel seiner Sehnsucht gesucht — und
war im Grunde ein Suchender geblieben. Ein
Zufall spielte ihm ein kleines Buch, das von
Tahiti, der stillen Insel im großen Ozean,
erzählte, in die Hand. Etwas Instinktives
sagte ihm, daß er dort vielleicht das Ersehnte
finden könnte; Freunde halfen und am
8. Juni 1891, einen Tag nach seinem 43. Geburtstag
, landete er nach 63tägiger Fahrt in
Papeete, der kleinen französischen Hafenstadt
Tahitis.

Das erste Ergebnis des Aufenthalts, dem
Gauguin mit fieberhafter Erwartung entgegengesehen
hatte, war direkter Ekel. Gerade
das, wovon er sich frei machen wollte, fand

er wieder — Europa, vergröbert durch die
Imitation bis zur Groteske, mit all seinen
Sitten, Gebräuchen, Lastern und sonstigen
Lächerlichkeiten. Manches erregt freilich
sein Interesse, wie der Tod und das Leichenbegängnis
desMaoriekönigsPomare; das Ganze
widert ihn an und erfüllt ihn zugleich mit
tiefer Traurigkeit, bis er es zuletzt nicht mehr
aushält und beschließt, die Stadt zu verlassen,
um außerhalb des Bannkreises europäischer
Zivilisation das zu suchen, um dessentwillen
er gekommen war.

Und der Versuch gelingt. Etwa 45 Kilometer
von der Stadt, im Distrikt von Mata'iea,
findet er eine Hütte, die ihm zusagt, ersteht
sie von dem Besitzer, der sich daneben eine
neue errichtet, und beginnt nun, als Wilder
unter Wilden, ein neues Leben — rückwärts
gewandt, dem mütterlichen Boden allen Daseins
zu. Wie Offenbarung kommt es über
ihn, wenn er des Nachts der unendlichen
Stille lauscht, die ihn hier umgibt, wo ihn
kein „Gefängnis", kein europäisches Haus
von dem Leben, dem Grenzenlosen trennt —
und langsam und allmählich beginnt alles
Fremde, Aeußerliche von ihm abzufallen,

BEURONER KUNSTSCHULE KARTON ZU EINER KREUZWEGSTATION FÜR

DIE MARIENKIRCHE ZU STUTTGART (1887) « «

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