Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 17. Band.1908
Seite: 254
(PDF, 165 MB)
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Mischblut englischer und tahitischer Abstammung
, gewöhnt an den banalen Luxus der
Kolonialbeamten in der Stadt, paßt ihm aber
nicht mehr in seine neue Umgebung — er
empfindet sie als stillos und schickt sie, so
sehr er die Gesellschaft braucht, wieder zurück
. Eine Zeitlang hilft ihm die Freundschaft
Jotefas, eines Maoriejünglings, über die
Einsamkeit hinweg; zuletzt erträgt er sie nicht
mehr und macht sich auf die Wanderschaft —
zu einer Reise um die Insel. Als er heimkehrt
, bringt er Tehura mit sich, ein Tongamädchen
, das unterwegs, nach Maoriebrauch,
sein Weib geworden ist — und das ihm nun
hilft, die letzten Schranken, die noch zwischen
ihm und der Umwelt stehen, einzureißen, sich
ganz dem reinen Dasein hinzugeben.

Das ganze Buch von der duftenden Insel
— Noa Noa heißt duftend — ist getragen
von einer wundervoll bildnerischen Gestaltungskraft
. Den Höhepunkt aber bilden diese
Kapitel, die von dem Leben mit Tehura erzählen
. Das Bild des Waldganges mit Jotefa,
in dem der Kampf
zwischen korrumpierten
Kulturvel-
le'itäten und wieder
emporbrechender
reiner Natürlichkeit
ein dunkel
schwüles Symbol
gefunden hat,bringt
es in seiner Suggestionskraft
bereits
zu fast visuellen
Wirkungen; die
Szenen, in deren
MittelpunktTehura
steht, haben etwas
von der Größe uralter
Legenden an
sich. Diese lebt
schon in der Szene
, da er nachts
heimkehrend sie
angstvoll wachend
in der Dunkelheit
antrifft und bei dem
flackernden Scheine
des Lichtes auf
einmal die grauenvolle
Fremdheit
von Mensch zu
Mensch sich zwischen
ihnen aufreckt
; sie hat etwas
direkt Biblisches
bekommen in der

beuroner kunstschule

Erzählung des zehnten Kapitels, auf die
schon Meier-Graefe in der Entwicklungsgeschichte
verwies. Gauguin ist mit den Genossen
zum Fischfang ausgezogen —■ Tehura
allein zu Hause geblieben. Er hat Glück;
zweimal beißt der Fisch auf seinen Haken.
Die andern beglückwünschen ihn — er bemerkt
aber beide Male deutlich ein Lächeln
und Flüstern, das offenbar ihm gilt. Auf dem
Heimweg fragt er einen jungen Fischer — und
erfährt nach einigem Zureden: wenn der Fisch,
wie es bei ihm zweimal der Fall war, sich mit
dem Unterkiefer auf den Haken verbeißt, so
bedeute das, nach altem Maorieglauben, Untreue
der Frau während der Abwesenheit des
Betreffenden. Er lächelt ungläubig; heimgekehrt
, kann er ein Mißtrauen doch nicht unterdrücken
und als sie sich zur Ruhe niedergelegt
haben, frägt er schließlich Tehura:
„Et ton amant d'aujourd'hui, etait-il ä ton
goüt?" Sie erwidert: Ich habe keinen —
darauf er: Du lügst — der Fisch hat gesprochen
! Da erhebt sich Tehura wortlos,

schreitet stumm
zur Türe, um sich
zu überzeugen,daß
sie verschlossen ist,
tritt dann mitten in
dasGemach undbe-
ginnt laut zu beten.
Alte schlichte Gebete
, um Schutz
und Rettung aus
Gefahr — und Gauguin
weiß nichts
weiter zu sagen,
als: „Ce soir-lä,
certes, avecTehura,
moi aussi j'ai prie!"
Als sie aber das
Gebet beendigt hat,
tritt sie zu ihm und
sagt, die Augen voll
Tränen: „II faut me
battre, beaucoup
me frapper" — und
wiederholt noch
einmal: „II faut me
battre, beaucoup
me frapper, sinon
tu seras cour-
rouce longtemps et
tu seras malade."
Da nimmt er sie,
Buddhaworte in
seinem Herzen be-
altar der st. maurus- wegend, in seine
kapelle bei beuron * Arme, und schließt

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