http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_17_1908/0339
-,r4sö> DAS GESETZ DES STILWECHSELS IN DER KUNST <^=^
f. matsch « sprache und kunst
Deckengemälde für die Wiener Universität
von dem einfachen Kinderköpfchen, seinem
Erstlingswerke, bis zu den komplizierten Arbeiten
des erwähnten Totendenkmals und
seines Hubertus gebracht. Dieses Werk, ein
Metallrelief Gold in Gold, knüpft an die silberne
Karlsbader Madonna an (Abb. S. 271).
Es ist das mächtige (2xl3/4m große) Bildwerk
einer offenen Kapelle, die auf den Jagdgründen
Arthur Krupps bei Kernhof in Niederösterreich
, am Wege nach dem Wallfahrtsorte
Maria Zell, steht, ein technisches Kunststück
des Meisters, der hier aller Klassizistik abschwört
und einer schlichten, herzhaften Romantik
freie Hand läßt. Denn diese braucht
er, um den Inhalt seines Themas ganz auszudrücken
. Und das bildet immer den obersten
Leitsatz im Schaffen Matsch': das was seine
Aufgabe ist, sei es auf dem Wege einer imposanten
koloristischen Machtentfaltung oder
auf dem gläubiger Innerlichkeit, wie in dem
Bilde „Herr vergib ihnen . . .", oder durch
gemessene Stilistik voll und erschöpfend, nicht
skizzenhaft, sondern im Ganzen eines Kunstwerkes
auszudrücken.
Diese wenigen Worte mögen genügen, das
Werk Matsch' zu erläutern. Es bedarf ihrer
nicht sonderlich. Denn, ein rechter, geborener
und gewordener Meister, der selber nicht gar
viel von seiner Kunst redet, wird Matsch in
seinem eigensten Wesen erst recht durch das
verständlich, was dessen reichsten Teil bildet
: durch seine Werke.
DAS GESETZ DES STILWECHSELS
IN DER KUNST
i.
Von Konrad Lange, Tübingen
Man hat oft die Beobachtung gemacht, daß
die Entwicklung der Kunst sich in Form
einer Wellenbewegung vollzieht, daß revolutionäre
Stilrichtungen immer durch reaktionäre abgelöst
werden, daß in der einen Zeit das Streben
nach Naturwahrheit, in der anderen das nach
Stil die künstlerische Produktion beherrscht.
Ja, man ist sogar soweit gegangen, die historischen
Stile in oppositionelle und konservative
einzuteilen. Oppositionell wären danach
z. B. der nordische Stil des frühen Mittelalters
, die Gotik, das Rokoko, der moderne
Naturalismus, konservativ z. B. die klassische
(griechisch-römische) Kunst, der romanische,
der Renaissancestil, das Empire einschließlich
des Zopfes und des Neuklassizismus. In
regelmäßigem Wechsel, so sagt man, folgen
diese Stile aufeinander, und zwar immer so, daß
ein oppositioneller Stil durch einen konservativen
, ein konservativer durch einen oppositionellen
abgelöst wird.*)
Dem liegt ohne Zweifel eine richtige Beobachtung
zugrunde. Natürlich entwickeln
*) Vergleiche besonders Pazaurek, Zeitschrift für
Zeichen- und Kunstunterricht, XXVIII, 1902, S. 135.
Katalog zur Stuttgarter Symmetrie-Ausstellung 1906.
279
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_17_1908/0339