Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 17. Band.1908
Seite: 282
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_17_1908/0342
-sr^ö> DAS GESETZ DES STILWECHSELS IN DER KUNST

sich auf die Nachahmung der Natur beziehen,
als da sind: richtige, d. h. der allgemeinen
Naturanschauung entsprechende Zeichnung,
täuschende Perspektive, räumlich wirkendes
Helldunkel usw. In der Plastik: anatomische
Exaktheit, wahrer Gefühlsausdruck, stofflich
überzeugende Behandlung des Materials usw.
In der Baukunst und den dekorativen Künsten:
alle Formen, welche die Vorstellung einer
organischen Kraft oder Bewegung auslösen,
z. B. Schwellungen, Knickungen, Krümmungen,
mehr oder weniger der Natur entlehntes
Ornament usw. In der Musik alle Mittel
zur Erregung des Gefühlsausdruckes, alle Züge
wirklicher oder versteckter Tonmalerei, die
etwas Bestimmtes ausdrücken, sei es, daß sie
eine sinnliche Vorstellung, sei es, daß sie ein
Gefühl oder eine Stimmung suggerieren. Zu
den illusionsstörenden Elementen gehören z. B.
in der Malerei alle Formen, durch welche die
Fläche als solche markiert wird, als da sind:
dekorative Silhouettierung der Figuren, deutliches
Auseinanderhalten der Gründe, Sichtbarlassen
der Pinselstriche, pointillistische Technik
u. dgl. In der Plastik jede dem Material entsprechende
Stilisierung der Formen, die Zerlegung
der Oberfläche des Körpers in ebene
Flächen, die im scharfen Winkel aufeinander-
schneiden, starke Betonung der Symmetrie,

Reliefbildung nach bestimmten, etwa Hilde-
brandschen Gesetzen usw. In der Architektur
und dem Kunstgewerbe alle ebenen Flächen und
geraden Kanten, alle rein geometrischen,
speziell geradlinig geometrischen Formen, in
der Musik alles rein Formale in Rhythmus,
Harmonie und Melodie, kurz alles, was nur
das Material oder die Technik veranschaulicht,
nur ins Ohr fällt oder der Annehmlichkeit
der Körperbewegung dient, ohne etwas Bestimmtes
auszudrücken.

In meinem Wesen der Kunst*) habe ich
nachgewiesen, daß jedes Kunstwerk, wenn
es ästhetisch wirken soll, sowohl illusionserregende
, als auch illusionsstörende Elemente
enthalten muß. Das wird jedem künstlerisch
empfindenden Menschen sofort einleuchten.
Ein Gemälde, das zwar streng symmetrisch
komponiert ist, dessen Figuren aber keine
anatomische Richtigkeit, keine wahren Farben,
keinen überzeugenden Gefühlsausdruck haben,
wird ebensowenig ein Kunstwerk sein, wie
eine sklavische Naturkopie, welche die Natur
unter Ausschaltung aller Stilisierung so
nüchtern darstellt, daß sie wie eine gut übermalte
Photographie aussieht. Ein plastisches

*) Zweite Auflage in einem Bande, Berlin 1907.
G. Grotesche Verlagsbuchhandlung.

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