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-ss-^> DIE KRAKAUER „SZTUKA" -(^^
ST. WYSPIANSKI f HL. SALOMEA
Karton zu einem Glasfenster
klärt sich aus seiner dichterischen Tätigkeit als Dramatiker
, der in freizügiger Verbindung von historischen
Geschehnissen, Phantasie und heutiger Wirklichkeit
die Bühne bevölkerte, nicht allein als Aesthet, mehr
noch als dringlicher Mahnredner der Lässigen. Sein
Inneres verlangte stürmisch darnach, sich auszusprechen,
vielleicht in dunkler Vorahnung, daß ihm der Lebensfaden
kurz bemessen sei; vor wenigen Monaten ist
Wyspianski im Alter von achtunddreißig Jahren gestorben
, die letzten Jahre zumal durch unerbittliche
Krankheiten geschwächt und gelähmt. Darum lastet
auf seinen Gebilden oft soviel Melancholie, die mit
Dekadenz nicht zu verwechseln ist, gegen die sich der
Lebenswille auflehnte. Im Rahmen einer Ausstellung
ist begreiflicherweise eine solche Individualität nur
schwer begreiflich zu machen, aber der Hingabe des
Malers Karol Frycz ist es doch schön gelungen, freilich
durch Wyspianskis Verfügungen und durch die (von dem
Universitätsprofessor Nowak, dem Kunstfreundjasienski,
der Frau von Parenska) gewährten Leihgaben unterstützt
, obwohl die Besitzer der leicht abblätternden
Pastelle sie nur schweren Herzens auf Reisen schickten.
Denn in Pastellfarben sind selbst die größten Kartons
von Wyspianski ausgeführt, da er seine Abneigung
gegen die Oelfarbe nur äußerst selten überwinden konnte;
hier ist das einzige mir bekannt gewordene Oelbild zu
sehen, mit dem Durchblick durch die kahlen Baumreihen
auf den Krakauer Burghügel, eine blau dämmernde Elegie.
Einige der von Wyspianski für sein Drama „Boleslaw
der Kühne" entworfenen Einrichtungsstücke geben dem
ihm gewidmeten Saale durch ihre gotische Wucht einen
starken Halt, und die bunten Stickereien der Vorhänge
zeigen sein oft wiederkehrendes Motiv der Geranium-
Blüten in dem strengen Linienschnitt, der einem rings
an den Wänden neuerlich begegnet. Er ist auf die Beschäftigung
mit der Glasmalerei zurückzuführen, die
glücklicherweise nicht immer beim bloßen Projekt geblieben
ist. Es ehrt die Krakauer Gesellschaft der Aerzte
und Naturforscher, daß sie die sonst wohl für leeren
Fassadenprunk ihres neuen Heims aufgewendete Summe
dem Künstler zur Disposition stellte, der nun die Innenausstattung
des Hauses nach seinem Gutdünken besorgte.
Das Hauptstück wurde ein Glasfenster mit der Darstellung
des von Kopernikus, der an der Jagelionischen Universität
studiert hat, dem überwundenen Ptolemäischen
entgegengestellten Systems: um die in Banden geschnürte
apollonische Lichtgestalt der Sonne kreisen frei die Personifikationen
der Planeten; ästhetisch betrachtet, ist
diese nicht gleich verständliche Allegorie ein meisterlich
gelöstes Farbenproblem, das Sonnenglanz und Aetherblau
impressionistisch ineinanderführt. Noch ein großer Karton
befindet sich auf der Ausstellung (Abb. nebenan), die
Vorzeichnung für die heilige Salomea, wie sie, die Königstochter
und jungfräuliche Witwe, asketisch der Krone
entsagt. Das ist das Mittelfeld eines der Glasfenster
im Chor der Krakauer Franziskanerkirche, deren Westseite
das gewaltigste derartige Werk Wyspianskis enthält:
Gottvater, v/ie er das Chaos ordnet, von rieselnder goldiger
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