Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 17. Band.1908
Seite: 302
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-S5=4^> DAS GESETZ DES STILWECHSELS IN DER KUNST

Davidschen und Cornelianischen Klassizismus
in diesem Sinne naturalistisch gewesen ist —
bis gegen das Ende des 19. Jahrhunderts. Da
kam der Umschlag, die Reaktion. Natürlich
nahm diese die Gestalt einer Tendenz an, die
wieder von der Natur wegführte. Einzelne
wie Feuerbach und Böcklin hatten sie schon
vorgeahnt und in den Zeiten des konsequenten
Naturalismus die Fahne des Stils in Zeichnung
und Kolorit hochgehalten. Jetzt wurden
sie nach langer Vernachlässigung anerkannt
und auf den Schild gehoben. Und nun begannen
diejüngeren bewußte Opposition gegen
die Naturwahrheit zu machen, bewußt zu
stilisieren. Denn das war der Unterschied
des „Neuidealismus", wie man ihn nicht sehr
geschmackvoll nannte, von dem alten, echten,
klassischen Idealismus, daß der Stil diesen
Jüngeren nicht durch eine in der Jugend
übernommene Ateliertradition in Fleisch und
Blut übergegangen, nicht aus einer völligen
Beherrschung der Technik unmittelbar erwachsen
war, sondern daß er von ihnen gelernt
, theoretisch ausgebildet werden mußte.
Man stilisierte mit Vorbedacht, weil man sich
überzeugt hatte, daß es nun einmal ohne

stanislaw wyspianskif

Stilisierung nicht abginge. Daß man dabei
Anleihen überall, bei Japan, Griechenland,
Assyrien machte, war selbstverständlich, denn
da fand man den Stil schon fertig vor, was
jedenfalls bequem war. Dekorative Wirkung
galt jetzt als Hauptsache. Alles, was eine
starke Illusion hätte erzeugen können, war
verpönt. Ein Porträt durfte nicht ähnlich
sein, denn das wäre ja „banausische Naturwahrheit
", eine Konzession an die Dummheit
des großen Publikums gewesen. Im Gegenteil,
die künstlerische Schönheit fing erst bei der
Unähnlichkeit, oder, wie man sich schön ausdrückte
, „jenseits der Natur" an. Michelangelo
hatte auf lebendigen, frappanten, gesteigerten
Gefühlsausdruck besonderen Wert gelegt, die
Neueren, Feuerbach und Whistler an der
Spitze, legten besonderen Wert auf ruhigen,
gemessenen, zuweilen selbst blasierten Ausdruck
. Rembrandt hatte durch feine Abtönung
der Lichter, Halbschatten, Kernschatten,
Reflexe, und besonders durch die realistische
und vollkommen naturwahre Behandlung
der Schlagschatten seine Figuren von der
hinter ihnen befindlichen Fläche losgelöst,
in den Raum hineingestellt, das Vor und

Zurück, mit einem Worte
die Raumtiefe hervorgebracht
. Die Neueren verachten
solche Dinge als
„illusionistische Mätzchen".
Sie vermeiden z. B. im Porträt
sorgfältig jeden Schlagschatten
. Der Körper soll
nur als Silhouette wirken.
Die Art, wie er im Rahmen
drinsteht, die dekorative
Wirkung der Umrisse ist
ihnen wichtiger als die Naturwahrheit
. Aman-Jean bekommt
es fertig, Damenbildnisse
in lauter gedämpften
, grauen, violetten und
bläulichen Tönen, fast ohne
Licht und Schatten, ohne
räumliche Vertiefung zu
malen, Bilder, die aus der
Entfernung etwa wie Gobelins
mit verschossenen
Farben aussehen und dementsprechend
auch ganz dekorativ
wirken.

Am allerfrappantesten
zeigt sich die Betonung der
Fläche, d. h. der illusions-
störenden Elemente in der
Technik des modernen Im-
studie pressionismus. Es ist ganz

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