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-^4sg> DIE AUSSTELLUNG ENGLISCHER KUNST IN BERLIN <ö^^
lungsphasen pflegen Bildnismaler auch von
kräftigerer Persönlichkeit in einer solchen
Machtsphäre nicht zu erleben. Van Dyck war
der Gefahr, in eine, wenn auch noch so elegante
Manier zu geraten, am englischen Hofe
ebenso unterlegen wie seine Nachbeter. Ein
Kopf gerät einmal besser als ein andrer, aber
die künstlerische Auffassung bleibt ziemlich
die gleiche. Neue künstlerische Erkenntnisse
scheinen keinen der englischen Maler jener
Zeit besonders beunruhigt zu haben. Gleich
der von ihnen dargestellten Gesellschaft sind
sie gebunden durch Gesetze der Vergangenheit
und Konvention.
Die beiden Führer der englischen Kunst,
Reynolds und Gainsborough, sind den Lesern
dieser Zeitschrift bereits vorgeführt
worden (Jahrgang 1906/07, S. 153 ff.). Unter
den in der Berliner Akademie vereinigten
Bildern des Reynolds galt als eines seiner
berühmtesten die Herzogin von Devonshire
mit ihrem Töchterchen (Abb. S. 313). Das
schwarze Seidenkleid mit dem weißen Fichu
und das graugepuderte Haar standen prachtvoll
vor dem roten Vorhang. Aber wie posen-
haft in der Haltung, wie erstarrt in der Bewegung
sind Mutter und Kind! Man weiß
nicht recht, ob die Mutter ihr „tanzendes
Baby" mit der erhobenen Hand aufmuntern
oder züchtigen will. Zwei oder mehr Figuren
auf einem Bilde zusammenzubringen, mißlingt
den englischen Malern meist. Sie wollten
wohl um jeden Preis „natürlich" sein und
meinten irrtümlicherweise, das, was im Leben
ihnen im Augenblick natürlich erschienen sei,
müsse es auf der Leinwand auch sein. Aber
nun sieht es affektiert aus und viel arrangierter
als je die unnatürlich gescholtnen Menschen
der französischen Rokokobilder. Uebrigens
fand Reynolds' Freund Walpole das Bild
JOSHUA REYNOLDS MARQUESS OF GRANBY
Im Besitz des Herrn Asher Wertheimer, London
Nach einer Aufnahme der Photographischen Gesellschaft, Berlin
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