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-b=^> DIE AUSSTELLUNG ENGLISCHER KUNST IN BERLIN <ö^~
der Herzogin „wenig ähnlich und nicht gut".
Reynolds war unter seinen Landsleuten sicherlich
der beste Interpret männlicher Köpfe.
Er hatte an den Venetianern und an Rem-
brandt eine gute Schule gehabt. Eine kräftige
Modellierung betont die Struktur des Kopfes.
Man spürt, wie die Haut Nasenbein und
Stirnknochen überspannt, ganz im Gegensatz
zu Gainsborough, dessen Personen wie durch
einen zarten Schleier gesehen sind, der die
festen Formen auflöst und die Männer zu
ebenso ätherischen Wesen macht wie die
Frauen. Reynolds wird denn auch eher mit
einem repräsentativen Reiterbild wie dem des
Marquess of Granby (Abb. S. 314) fertig als
Gainsborough, dessen General Honywood in
der Ausstellung gegenüber verschwommen
und kraftlos aussah. Gainsborough ist eine
m. a. shee mrs williamson als miranda
Im Besitz der Herren Sulley & Co., London
Nach einer Aufnahme der Photographischen Gesellschaft, Berlin
träumerische Natur, in englischer Uebertra-
gung etwa das, was in Frankreich Watteau
gewesen war. Möchte man nicht glauben, der
Künstler habe sich beim Malen schweigend in
seine anmutigen Geschöpfe verliebt? Jedenfalls
tragen sie viel mehr den Charakter von
Huldigungen als die Damenporträts des weltmännischeren
Sir Joshua Reynolds. Das Bild
der Lady Petre (Abb. S. 322) hing als Pendant
zur Anne Duncombe, in der sich der ganze
Charme des Rokoko entfaltete. Beide tragen das
berühmte lichte Blau, die Lieblingsfarbe des
Meisters. Lady Petre trägt dazu einen großen
schwarzen Hut und schwarzen Umhang. Die
grün-braune Parklandschaft, in der sie sich bewegt
, ist nur bedeutungslose Folie, noch völlig
Theaterhintergrund. Man schwärmte wohl schon
für die freie Natur, aber bis man sie wieder
malen konnte, verging noch einige
Zeit. Weniger gut, vor allem höchst
langweilig in der Anordnung wirkte
das lebensgroße Bild der Viscountess
Ligonier, die vor einem roten Vorhang
in mattgraublauem Gewände sich
an ein goldgelbes Postament lehnt
(Abb. S. 326).
Dem heutigen Geschmack entsprachen
mehr die zwei anderen, gut vertretenen
Maler, die bis dahin nicht
so allgemein bekannten Romney und
Raeburn.
Romney, geboren 1734, ist nur elf
Jahre jünger als Reynolds. Seinem
Stil nach könnte er jedoch um eine
ganze Generation von diesem getrennt
sein. Er repräsentiert in seinen Bildnissen
die Anschauung der „klassizistischen
" Richtung, die in den letzten
Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts das
Rokoko ablöste. Es gehörte kunstgeschichtlich
zu den reizvollsten Eindrücken
, die die Ausstellung bot,
diese Entwicklung zu verfolgen. Zunächst
fällt die viel hellere und kühlere
Erscheinung eines Romneyschen Bildes
gegenüber Reynolds auf. Selbst
wenn man berücksichtigt, daß Reynolds
' Bilder sehr nachgedunkelt sind,
bleibt dieser Gegensatz. Was Reynolds
sich vor den alten Venetianern
notierte: „Die allgemeine Praxis
schien zu sein, dem Licht nicht mehr
als ein Viertel des Bildes einzuräumen
, und in diesen Teil sowohl die
Lichter ersten wie zweiten Grades
aufzunehmen; ein weiteres Viertel
so dunkel als möglich zu halten;
die übrige Hälfte in mezzotint Halb-
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