Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 17. Band.1908
Seite: 332
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_17_1908/0402
^=4sö> HUGO VON TSCHUDI

großen und echten Bildner, die es hervorgebracht,
nun erst ging deren Schaffen ein in den wirkenden
Vorstellungsgehalt unseres kulturellen Bewußtseins.
— Von da ab war Tschudis Bestreben einzig darauf gerichtet
, die Nationalgalerie zu einem bleibenden Dokumente
dieser, auch für das Nationalbewußtsein der gebildeten
Schichten des deutschen Volkes hochwichtigen
Tatsachen auszugestalten. Er hat dies heute erreicht
, er hat es eben dadurch erreicht, daß er neben
eine fastlückenlose Vorführung derwahren deutschen
Kunst seit 1800, die mit dieser deutschen Entwicklung
korrespondierende ausländische*) Kunstentfaltung
in markanten Stücken zur Anschauung brachte.
So versteht man die eine durch die andere. So besitzen
wir durch Tschudi dies: die Vorstellung und
das Bewußtsein einer organischen Kunst-Tradition
in Deutschland, die in steter Wechselbeziehung steht
mit den anderen europäischen Kunsttraditionen. Wir
verdanken ihm sodann die volle Erkenntnis einiger
der stolzesten Meister unseres Stammes, die allzu
lange schmachvoll mißachtet wurden zugunsten von
Tages-Berühmtheiten, welche aus einer durch und
durch revolutionären, traditionslosen Afterkunst her-

*) Man hat Tschudi vorgeworfen, daß er deutsches Geld zu
oft für französische Kunst verausgabe, statt deutsche Künstler
durch Ankäufe zu fördern. Dieser Vorwurf beruht auf irrigen Voraussetzungen
. Tschudi hat die z. T. herrlichen französischen
Meisterwerke meist geschenkweise erhalten. Selbstverständlich ist
die dadurch gebotene Möglichkeit, jederzeit erstrangige Schöpfungen
von Goya, Gericault, Daumier, Rousseau, Millet, Daubigny, Corot,
Courbet, Manet, Monet etc. studieren zu können, für die deutsche
Künstlerschaft unendlich nutzbringender als ein paar Tausend, die
in die Tasche des einzelnen fließen.

vorgekrochen waren. Rayski, K. D.Friedrich, Menzel,
vor allem aber Feuerbach, Marees, Leibi, Trübner,
und ihr Kreis und ganz besonders einige bisher
viel zu wenig gewürdigte Münchner sind erst durch
die Jahrhundert-Ausstellung Tschudis zur verdienten
Geltung gelangt: von Kobell und Spitzweg bis zu
Harburger, Oberländer, Piglhein, Uhde, Keller, Habermann
und zu den Trefflichsten der jungen Generation.
Weiterhin: er hat vorbildlich und bahnbrechend gewirkt
für eine wirklich fruchtbare, der deutschen
Kunst und dem deutschen Geschmacke förderlichen
Vertretung des Auslandes in unseren Galerien. Man
ist jetzt darauf aus, erstklassige Werke der spanischen
, französischen, englischen Meister heranzuziehen
, auf die es ankommt, während vorher nur
allzu oft die Mode, der momentane Ausstellungserfolg
und die Verbindungen der Händler ausschlaggebend
waren. Berlin dankt ihm überdies noch einen
ungeahnten Aufschwung seines Kunsthandels — auch
der Qualität nach — und die Erziehung eines privaten
Mäzenatentums, wie es früher nur für alte Kunst zu
haben war, das, von ihm beraten, auch den öffentlichen
Sammlunen große Zuwendungen macht.

Berlin könnte sich über seinen Verlust trösten
mit dem Gedanken: er wird einen Nachfolger finden,
der das alles weiter pflegt. Nach Lage der Dinge
wird Tschudi einen solchen Nachfolger aber gar
nicht finden können. Sein Rücktritt ist gleichbedeutend
mit dem Siege einer Interessenten-Koterie, welche
sich die zwischen Tschudi und dem Kaiser bestehende
Meinungsverschiedenheit zunutz zu machen wußte.
Diese Interessenten werden ihren Sieg ausbeuten.

Ein Galeriedirektor, der würdig wäre,
das Erbe eines Tschudi zu verwalten,
wird sich niemals den Interessen einer
Koterie willfährlich zeigen. Die Sieger
werden ihre Rechnung nur bei einem
Direktor finden, der gefügig ist, der bei
seinen Ankäufen die Wünsche derer berücksichtigt
, denen er seine Stellung
verdankt.

So ist es denn nur allzu wahrscheinlich
, daß das große Werk und Wirken
Tschudis in Berlin verwaist und wohl
auch in manchen Teilen zerfallen wird.
Die durch und durch destruktiven Elemente
, welche — dem Blick des Monarchen
natürlich nicht erkennbar —
sich in so unerhörter Weise wider den
heiligen Geist unseres nationalen Stolzes
und der Kultur versündigen, werden
aber nicht triumphieren! Welchem
deutschen Manne stieg nicht die Schamröte
in die Wangen, so oft er sich der
Tatsache erinnert, daß der deutsche
Kaiser von der der deutschen Kunst
geweihten »Deutschen Jahrhundert-
Ausstellung«, die dem deutschen Volke
erst seine Kunst gab, fast gänzlich
ferngehalten werden konnte — er
hat sie nur einmal flüchtig besucht!
Kein ernster Mann in Deutschland
glaubt, daß dieses dem wahren, innersten
Wesen des kraftvollen, durch und
durch deutsch fühlenden Herrschers
entspricht. Darum ist es vielleicht
doch ganz gut, daß wir jetzt den >Fall
Tschudic haben. Er wird Klarheit
schaffen! georg fuchs

HENRY RAEBURN LADY MAITLAND

Im Besitz des Herrn Pierpont Morgan, London

Nach einer Aufnahme der Photographischen Gesellschaft, Berlin

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