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DIE FRÜHJAHRSAUSSTELLUNG DER MÜNCHENER SECESSION
WILHELM LUDWIG LEHMANN
JUNI
Frühjahrsausstellung der Münchener Secession
(Abb. S.354u. 355). Und wie malerisch,wie fertig
das alles wirkt! Man versteht Zügels Kunst
erst in ihren Grundlagen, wenn man diese
Blätter gesehen — und man sieht diese, nebenbei
gesagt, hier zum ersten Male! Bekannte
Werte weisen uns die Handzeichnungen und
Radierungen Max Liebermanns (Abb. S. 341).
Man weiß oft nicht, was man daran mehr
schätzen soll, die Meisterschaft, mit der die
flüchtigsten Bewegungsmomente so schlagend
fixiert sind, oder den hochkultivierten Geschmack
, mit dem das Einfachste zu trefflicher
Bildwirkung gebracht ist.
Eine Reihe von Figurenskizzen und Landschaften
Hugo von Habermanns sind mit
fast noch lebhafterem Temperament hingeworfen
, als des Künstlers Gemälde. Süperbe
Aktstudien von Franz von Stuck (Abb.
S. 344), Zeichnungen von Hermann Gröber,
R. Pietzsch, Eugen Wolff, Hubert v. Heyden
ergänzen die farbigen Arbeiten ihrer Autoren
aufs glücklichste. Alois Hänisch schickt
aus Wien landschaftliche Handzeichnungen von
einem Reiz und einer Qualität, wie man sie
selten mehr sieht. Wilhelm Schulz steuert
eine Serie prachtvoller markiger und zugleich
gemütvoller Farbenzeichnungen aus alten süddeutschen
Städten bei und Eugen Kirchner
neben etlichen Karikaturen von drolligstem
Humor drei kleine Bleistiftzeichnungen, die
schlechthin Perlen an Empfindung und technischer
Vollendung sind (Abb. S. 352). Gute
Handzeichnungen sind dann noch von E.
Fohn, H. Müller-Dachau, Hans Rossmann,
groteske Entwürfe von Ernst Stern und der
geschmackvoll phantastischen Paula Rösler
(Abb. S. 337 u. 358). Künstlerisch interessante
Originalholzschnitte von C. O. Petersen
(Vögel), Adolf Thomann und Hedwig Jarke
(Abb. S. 359). Berechtigtes Aufsehen machen
die zum Teil fröhlich karikaturistischen, zum
Teil in feinem dekorativem Sinne nach den
Vorbildern japanischer Farbenholzschnitte
stilisierten farbigen Zeichnungen von Ernst
Matthes, Paris (Abb. S. 356), und nicht minder
die geradezu unergründlich feinen und
zarten Federzeichnungen des Galiziers M.J.
Jakimovicz, zum Teil aus einem mysteriösen
Zyklus „Das Ich". Als bekannt dürfen wohl die
Bauernkrieg-Radierungen von Käthe Kollwitz
gelten; die geniale Radiererin liefert mit
ihren Arbeiten den Beweis, daß Kunst und
Tendenz sich unter Umständen recht gut vertragen
! Dann sind noch Max Slevogts hoch-
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