Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 17. Band.1908
Seite: 352
(PDF, 165 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_17_1908/0424
-^ö> ÜBER DAS ERLERNEN DER MALEREI <^a-

einem weit größeren Kreis als den Kunstbeflissenen
, an die der Schreiber bei seiner
Arbeit gedacht hat, denen er Stab und Stütze
mit auf den steilen Weg geben wollte, der nach
dornenvollen Mühen und entsagungsreichem
Studium zu künstlerischer Reife und Freiheit
führt.

Nicht nur diesen Jüngern sei das Buch
empfohlen, auch all den vielen, jetzt schon
ungezählten Freunden und Verehrern Corinth-
scher Kunst. Wer ihn kennt und schätzt,
wird ihn auch in diesen Blättern wiederfinden
und sich erfreuen an all den Eigenschaften,
die ihn auszeichnen und zieren als Mensch
wie als Künstler.

Corinth hat mir in das Buch als Widmung
geschrieben: „in dreieinhalb Stunden Baumschlag
zu lernen." Ich sehe zu meiner Beschämung
hieraus, daß er mir also bisher in
dieser für einen Landschafter doch ganz wesent-

EUGEN KIRCHNER IN DER PINAKOTHEK

Mit Genehmigung des Verlags Braun & Schneider, München

liehen Kunstübung nicht allzuviel zutraut. Mit
doppeltem Eifer habe ich mich natürlich auf
das Studium der Lektüre geworfen und kann
nun nach bestem Gewissen sagen, daß es
Corinth in der Tat gelungen ist, in höchst
einfachen Worten und größter Anschaulichkeit
das heikle und schwierige Thema zu behandeln
. Daß es ihm gelungen ist, mit Worten
sehr viel von dem klar zu machen und dem
Lernbegierigen faßlich beizubringen, was bei
dem Erlernen der Malerei bisher nur mit dem
Pinsel in der Hand vor dem Modell und der
Natur möglich schien. Es ist wohl unnötig,
hervorzuheben, daß sein Buch verzichtet auf
die vielen schönen Rezepte der Farbenmischung
, des Pinselauftrags, der Untermalung,
der tausend Lasuren, des Retuschierens und
Firnissierens, mit denen sonst derartige Werke
den Leser zu erfreuen pflegten und die den ganzen
Inhalt ausmachten. Von solchen läppischen
Sachen steht hier kein Wort. Dahingegen
hat Corinth verstanden,
dem Leser mit körperlicher Anschaulichkeit
das Modell oder den
zu malenden Gegenstand vor Augen
zu führen, daß der Schüler
leibhaftig davorzusitzen glaubt
und mit seinem geistigen Auge
auf das allergenauste all den vielen
vorbereitenden Ausmessungen
und Vergleichungen folgen kann,
die der lehrbegierige Meister ihm
vorführt, ehe der Schüler auch
nur eine Linie auf dem Papier zu
ziehen oder einen Farbfleck auf
die Leinwand zu werfen hat.

Gar mancher, der Corinths
Kunst nur oberflächlich kennt,
mag zuerst erstaunt sein über
diese Fülle von Gründlichkeit,
Strenge und Korrektheit, die der
Meister fordert und auf die immer
wieder hinzuweisen er niemals
müde wird. Ernst, Ehrfurcht und
Gewissenhaftigkeit gegen sich und
die Natur predigt er mit eindringlicher
, von Herzen kommender,
zu Herzen gehender Energie. Wer
etwa glaubte, bei so einem Seces-
sionistenfürsten wie Corinth ein
leichtes Darauf losgehen, ein wildes
genialisches Farbengeschmiere,
ein orgiastisches Kraftmeiertum,
ein überschäumendes Talentprot-
zentum gefeiert zu finden, der mag
getrost seine Straße weiter ziehen,
ihm wird dies einfache, strenge
Selbstzucht fordernde Buch wenig

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