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-^=^> ÜBER DAS ERLERNEN DER MALEREI <^^-
sagen. Nichts liegt diesem großen, gesunden,
wahrhaften Künstler ferner, der selber ein
Leben lang aufs eifrigste bemüht war und ist,
durch Ernst und unermüdlichen Fleiß an sich
zu arbeiten, um alle Fähigkeiten, die ihm eine
gütige Natur verliehen, bis in die letzten
Spitzen und Blüten zu schöner Entwicklung
zu treiben. Ganz im Gegenteil zu solch leichtsinnigem
Getriebe dürfte ein fein akademischer
, leicht pedantischer Zug und Hang auffallen
, wenn nicht alle Leute, die Corinths
Kunst, sein bisheriges Schaffen aufmerksam
verfolgt haben, längst wüßten, daß in diesem
Modernen, diesem Revolutionär, der jahrelang
die Ausstellungsbesucher gruseln machte durch
die Kühnheit und Gewaltsamkeit seiner Werke,
ein gut Stück des Akademikers steckt. — Wie
sollte es auch anders sein. Verdankt er selber
doch sein tüchtiges Können, sein phänomenales
Beherrschen des Akts der außerordentlich
strengen akademischen Schulung, die er
in jungen Jahren besonders in Paris bei
Bouguereau genossen. In dieser alten, vielbesuchten
und berühmten Schule durfte sich
niemand herausnehmen, den Akt kraftgenialisch
herunterzuschleudern und hinzuhauen, da galt
es von jeher erst sorgsam messen, wägen,
vergleichen, richten und wieder vergleichen,
bis alle Verhältnisse, alle Maße zueinander
aufs Haar abgewogen und richtig.
In den Jahren, in denen Corinth seine Lehrtätigkeit
entfaltet, hat sich denn auch aufs
klarste die Richtigkeit dieser Prinzipien erwiesen
, die er mit einfachen, verständlichen
Worten dem Leser predigt und zu wiederholen
nicht müde wird. Corinth ist heute einer
der besten und geschätztesten Lehrer, der
eine große und segensreiche Tätigkeit auf
diesem Gebiete ausübt. Er wäre wohl berufen
, ein großes staatliches Institut zu führen,
viele würden ihm danken. Nicht wenig zu
diesen guten Erfolgen trägt natürlich auch der
Eifer und die Hingebung bei, die er dieser
Tätigkeit widmet und die zugleich mit der
Ueberzeugungskraft von der Richtigkeit seiner
Theorien und seiner Auffassung dem Schüler
zugute kommt.
Ich wünsche und erhoffe Corinths Buch
eine große Verbreitung. Der ernsthafte Schüler
wird viel der goldenen Worte und Lehren zu
beherzigen wissen. Der wahrhafte und künstlerische
Ernst, mit dem Corinth seine Ueber-
zeugung und die Erfahrung mühsamer Jahre
vorträgt, redet eine so eindringliche Sprache,
daß sie wie alles Echte zu Herzen dringt,
da sie von Herzen kommt. Niemand dieser
Die Kunst für Alle XX1U
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