http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_17_1908/0449
-=o=^ö> FRITZ BOEHLE ~C^=^
ich bin nicht Mitglied des Werdandi-Bundes—,
sondern weil dieser Bauer so gar nicht posiert,
weil er mit seinem Gaul so prachtvoll im
Raum steht, weil Bauer und Gaul so völlig
eins sind auch mit dem „Inhalt" des Räumlichen
, mit dieser weiten, reich gegliederten,
durchaus typischen und doch so gar nicht schematischen
deutschen Landschaft. Wegen dieser
völligen Einheit
nicht nur in der
formalen Erscheinung
, sondern auch
des Formalen mit
dem Inhaltlichen
gebe ich dem „Betenden
Bauer" den
Vorzug vor dem
„Ritter mit der
Fahne" — wobei
natürlich nicht die
beiden Werke an
sich im banalen
Sinn verglichen
werden, sondern als
Beispiele zweier
verschiedener Arten
künstlerischer
Konzeption dienen
sollten.
Daß diese zwei
verschiedenen Arten
des Konzipierens
und Schaffens
— die eine aus dem
unmittelbaren Anschauen
und Erleben
der umgebenden
Natur und Gegenwart
, die andere
aus dem bewundernden
Betrachten
und Studieren
jener „zweiten Naturwelt
", die in der
Kunst anderer Meister
und früherer
Epochen besteht,
daß also diese zwei
Arten sehr wohl in
derselben Künstlerpersönlichkeit Platz haben
können, ist eine weltbekannte Tatsache, ist
ein wesentlicher Teil der deutschen Kunstgeschichte
, ein eingeborenes Verhängnis, das
nur die Stärksten so überwinden, daß es ihnen
noch zum Besten dienen muß. Zu diesen
Stärksten — wir dürfen es zumindest hoffen
— gehört Boehle; und daß sich ihm jenes
Verhängnis zum Guten wende, dürfen wir
FRITZ BOEHLE « ENTWUR
BILD KA
schon darum hoffen, weil es doch zugleich
in den innersten, gesundesten Kern seiner
Anlage und seiner Entwicklung hineinreicht.
Seiner Entwicklung: wir erinnern uns an die
Nachbarschaft des jungen werdenden Künstlers
mit K. v. Pidoll, dem treuen Pfleger Marees-
scher Kunstweisheit; seiner Anlage: wir bedenken
den starken plastischen Sinn, der sich
in Boehles Auffassung
und Darstellung
des menschlichen
Körpers bekundet
, und die organisch
gliedernde
Anschauung, mit
der sein Auge den
Raum umfaßt. Einem
Künstler solcher
Begabung muß
nicht nur die alltägliche
Wirklichkeit
das Gesetzmäßige
aller äußeren
Erscheinung,
die gegenständliche
Schönheit der Dinge
auch des ein-
fachstenGebrauchs
erschließen, ihm
wird auch wie
wenig anderen die
Gesetzmäßigkeit
und die ewig lebendige
Schönheit
der Kunstschöpfungen
früherer Zeiten
oder zeitgenössischer
artverwandter
Meister
sich offenbaren,
wohl gar mit ihrer
bezwingenden Größe
ihn sein eigenes
Ich in bescheidener
Ehrfurcht vergessen
odernachihrem
Bild ummodeln lassen
; bis er sich
doch ganz auf sein
eigenes Selbst zurückbesinnt und dem „holden
Born der Ueberlieferung" wieder enttaucht,
um seines Weges zu „wandeln auf weiter,
bunter Flur ursprünglicher Natur".
In Boehle ist der plastische Sinn so stark
ausgebildet, daß er nicht nur auf sein zeichnerisches
und malerisches Darstellen bestimmend
einwirkt, sondern ihn direkt zu bildhauerischem
Schaffen führt. Drei plastische
F FÜR DAS REITERSTAND-
RLS DES GROSSEN • « «
372
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_17_1908/0449