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Entwürfe von seiner Hand wurden zum erstenmal
publiziert in dem eingehenden Aufsatz
W. Riezlers über den Frankfurter Künstler
(im 2. Band des „Münchner Jahrbuches der
Bildenden Kunst" erschienen): die Gruppe des
den Stier niederzwingenden Theseus, ein ruhig
dastehender Stier (Abb. s. unten), als Schmuck
einer Parkanlage gedacht, wo dasgewaltige Tier
in seiner animalisch großartigen Ruhe mit dem
lindbewegten Grün der Baummassen und Rasenflächen
einen prächtigen Zusammenklang geben
wird, und das Reiterstandbild Karls d. Gr.,
für die große Frankfurter Mainbrücke bestimmt
(Abb. S. 372). In der Farbenskizze ist die
Anregung, die Boehle von Donatellos Gatta-
melata empfangen hat, ganz unverkennbar;
doch scheint das Pferd noch monumentaler
empfunden, und in der Figur des Kaisers wird
der Bildhauer gewiß eine durchaus individuelle
Schöpfung geben; weist ihn doch das
heute als authentisch anerkannte Bildnis Karls
(die bekannte Bronzestatuette, die in Paris
aufbewahrt wird), das er benutzte, darauf hin,
seinem Helden eines jener „altfränkischen",
derb energischen Bauerngesichter zu geben,
die er so oft und immer gleich meisterhaft
schildert.
Diese Menschenschilderungen, die er der
bäuerlichen Bevölkerung seiner Heimat entnimmt
, überraschen — in scharfem Gegensatz
zu der Typik seiner antikisierenden und
auch vieler seiner religiösen Bilder — durch
ihr individuelles Leben, das er aber, dank
dem großen Zug seines Wesens,ins Typische erhebt
, ohne es ins Allgemeine zu verflüchtigen. In
der Frankfurter Kollektion hingen drei Bauernbildnisse
zusammen, die förmlich verblüfften
durch das verhaltene Leben, das unter der
einfachen Größe der Darstellung warm durchschimmerte
, wie frisch pulsierendes Blut durch
reine, gesunde Haut. Ein junger und ein alter
Bauer, eine Frau mittleren Alters Typen
dreier verschiedener Lebensstufen, aber ein
und derselben Menschenschicht, die noch in
unmittelbarem Zusammenhang mit der heimischen
Natur den engen Kreis ihres Daseins
vollendet und fast allein noch in unserer
komplizierten, hastenden, künstlichen Zeit das
menschliche Leben in seinen einfachen Urformen
zu leben scheint. Und das fühlen wir
aus all den Bauern- und Schifferbildern seines
Radierwerkes heraus, den epischen Sinn für
das breite, gemächliche Tempo, in dem dies
Leben mit seinen Hantierungen unter freiem
Himmel, auf dem gelassen hinströmenden
Fluß und den weitgedehnten Feldern sich ab-
FRITZ BOEHLE STIER
Mit Genehmigung der Münchener Graph. Gesellschaft Pick & Co.
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