Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 17. Band.1908
Seite: 398
(PDF, 165 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_17_1908/0479
-*3-4cö> MISZELLEN <^=^

Rahmen, anscheinend niedrige Preise, anmutige
Sujets, klingende Namen und last not least
umfangreiche Formate werden faszinierte Käufer
für Momente beglückt, die sie im Leben
bitter bereuen, und wenn nicht sie, so dereinst
ihre bedachten Erben. So ehrenwert an und
für sich die Verbreitung und Erweckung des
Kunstinteresses ist, so verurteilenswert ist
die Ausschlachtung der Kunst und die Schaustellung
absolut wertloser Malereien. Unter
der Vorspiegelung falscher und unwahrer Tatsachen
wie: „Aufgabe des Geschäfts", „Verlegung
des Geschäfts", „Abreise nach Kissingen
" werden zeitweilig Auktionen inszeniert,
deren Leiter das unglaublichste Geschwätz
mit einer nur ihm eigenen Dreistigkeit in die
Luft schleudert. Akademiedirektoren haben
sich besonders in acht zu nehmen. Hat zufällig
der Pinsel auf ein zu versteigerndes
Bild den Namen eines bekannten Direktors
geschrieben, dann kann der Auktionsbesucher
sicher sein, daß ihn der Auktionator zum Akademiedirektor
promoviert. Für derartige Kunsthandlungen
scheinen Fabriken tätig zu sein.
Wie in Köln N 4711 für Eau de Cologne gangbar
ist, rinden wir hier den Namen Kaufmann.
Schreiber ging einmal in ein so geschildertes
Kunsthaus, fand ein Bild von Wilhelm Sohn
ohne Signatur, sprach über die Güte des Bildes
seine Bewunderung aus, gleichzeitig aber auch
sein Bedauern über die fehlende Unterschrift
— tags darauf war dem abgeholfen: Das Bild
war signiert. Der Kunsthändler, zur Rede
gestellt, bekannte lächelnd: das habe ich besorgt
! Der sofort erfolgten Aufforderung, die
Unterschrift zu beseitigen, kam er kopfschüttelnd
nach. Er war sich keines Unrechts bewußt
. Solche Fälle stehen in Hamburg nicht
vereinzelt da. In jeder dem Schreiber bekannten
Stadt gibt es gute, rechtschaffene
und mindergute und recht — schaffende Kunsthändler
, in keiner Stadt aber eine solche Clique
auf- und niedertauchender Bilderschacherer
wie in Hamburg. Daß dem gediegenen Kunstmarkt
durch die Manipulationen derartiger
Bildervertreiber der größte Schaden erwächst,
ist unbestreitbar. Bei einer so wenig von
Kunstinteresse, geschweige denn Kunstverständnis
angehauchten Einwohnerschaft wie
in Hamburg wirken Anpreisungen noch so
ominöser Art fortreißend wie ein elektrisches
Fluidum. Billig und viel auf der Auktion erstehen
, ist Ehrensache der unkenntnisreichen
Besucher. Das traurige Resultat derartiger
Bilderanpreisungen ist sichtbar an den Wänden
achtbarer Bürger. Jüngst war Schreiber dieses
auf einer Auktion. Von einem hochachtbaren
und geschätzten Meister, der des Lobspruches

eines Auktionators nicht bedarf, wurde, ohne
Rücksicht auf die doch nicht unwahrscheinliche
Gegenwart eines Verwandten des Künstlers
, ein Bild mit den Worten präsentiert:
„Meine Damen und Herren, der Meister liegt
schwer krank darnieder, stirbt er, ist das Bild
das Doppelte wert!" —

Es ist die höchste Zeit, daß die Künstlerschaft
sich behördlichen Schutz gegen solches
schleichendes Unheil sucht, bei richtiger Darlegung
der Verhältnisse wird sie ihn sicher finden.

Gesellschaft geben, große Diners veranstalten
, Wohnung und Kleidung im höchsten
Schmuck präsentieren ist an der Tagesordnung.
Der eine will es besser machen als der andere
. Im Variete, das Produkt modernen Geschmackes
, wurde die vornehme Welt von
R. Steidl belehrt: „Laß dich nicht lumpen,
du kannst dir's ja pumpen!" Da sein muß
alles. Möbel, Vorhänge, Bilder, Bücher etc.—
alles ist leihbar, jetzt auch die Kunst! Die
Idee der Verleihung einer Anzahl von Bildern
für eine gewisse Zeit sollte schon vor einigen
Jahren verwirklicht werden. Ob das Geschäft
zustande gekommen ist oder nicht, kann
Schreiber nicht verraten, wohl aber hat das
Prinzip des Borgens Feuer gefangen. Ist die
Veranstaltung einer Gesellschaft beschlossene
Sache, die Einladungen, nach vorgängiger Versicherung
des Erscheinens einer tüchtigen
Kochfrau, ergangen, geht die verehrte Hausfrau
zum Kunsthändler und unterbreitet diesem
den Wunsch, ein Prachtwerk zu kaufen. Die
Umständlichkeit verbietet die Auswahl im
Laden, eine Ansichtsendung erscheint erforderlich
, wird gewünscht, zugesagt und — entspricht
dem Zweck. Die Prachtwerke liegen
am Abend der Gesellschaft auf einem Tisch,
erfreuen die Eingeladenen durch prunkvolle
Einbände, vielleicht auch durch einen flüchtigen
Einblick, und — andern Tags kommt
blitzschnell der hochgeschätzten Gastgeberin
die Erkenntnis, daß von den gesandten Büchern
kein einziges ihrem auserlesenen Geschmack
entspricht. Die Bücher wandern zur Stätte
ihrer Herkunft zurück wie der Mohr, der seine
Schuldigkeit getan hat. So ergeht es Büchern,
Schmucksachen, bald wird es auch Bildern
und Bronzen so gehen. Geborgter Schein
bringt Glanz ins Haus und diesen Glanz kann
die Jetztzeit nicht entbehren.

Es ist eine auffallende Erscheinung, daß
wir in den Läden, die Bronzen verkaufen,
meistens französische, italienische, russische
und englische Bronzen finden deutsche
Künstler mit deutschen Bronzen sind äußerst
selten in Läden anzutreffen. Woher kommt

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