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-sr^> NEUE KUNSTLITERATUR <^^~
Reihe anderer gesellt, und so ist denn das Leipziger
Museum im Laufe von 70 Jahren zu einer
achtunggebietenden Sammlung, vor allem auf dem
Gebiete der modernen Kunst, angewachsen, so daß
es im Kreise der deutschen Museen einen hervorragenden
Platz einnimmt. Dessen wird man sich
von neuem bewußt, wenn man das neue Werk durchsieht
, das soeben der Direktor des Museums Theodor
Schreiber im Auftrage des Rates der Stadt
Leipzig im Verlag von F. Bruckmann A.-G. veröffentlicht
hat. Ein Vergleich mit dem Werk über
die Leipziger Galerie, das Dr. Vogel 1892 veröffentlicht
hat, zeigt einmal, wie viele und bedeutende
Kunstwerke das Museum seitdem hinzuerworben
hat und dann wieviel besser in diesen wenigen
Jahren die Vervielfältigungstechnik geworden ist.
Allerdings legte jenes Werk den Hauptwert auf die
Geschichte des Leipziger Museums, wozu dann
außer den Textabbildungen 28 Tafeln beigegeben
wurden, während das Schreibersche Werk ein Bilderwerk
sein sollte. Es enthält demgemäß 84 Tafeln
nebst einer kurzen Einleitung und einem knappen
Text zu jedem Bilde. Den Nachbildungen gebührt
volle Anerkennung; auf Grund von Aufnahmen, die
unter Schreibers persönlicher Leitung mit großer
Sorgfalt und künstlerischem Verständnis gemacht
worden sind, zeigen sie die Originale klar und mit
sicherer Abwägung der Tonwerte; sie bieten das
Beste, was man beim Stande der gegenwärtigen
Technik von solchen Nachbildungen erwarten darf.
Auch die Auswahl der Kunstwerke erscheint durchaus
sachgemäß. Etwa der dritte Teil der Tafeln ist
der alten Kunst gewidmet
; wir sehen
da vom Meister
Francke und Jan
van Eyck an die
wichtigsten der alten
deutschen und
holländischen Bilder
, die teils aus
den Leipziger Kirchen
, teils aus den
Privatsammlungen
in das Museum
übergegangen
sind; zwei Drittel
sind der modernen
Kunst gewidmet
von Chodo-
wiecki und Graff
an bis auf Böcklin,
Liebermann,Uhde,
Lenbach, Meunier,
Thoma, Leibi und
Max Klinger, der
als Leipzigs bedeutendster
Künstler
vom Leipziger
Museum ja mit berechtigtem
Stolze
gepflegt wird und
demgemäß in dem
Werke mit fünf
Tafeln, einem ausgezeichneten
Dreifarbendruck
der
blauen Stunde und
der schwarz-weißen
Wiedergabe
seiner vier plastischen
Werke bedacht
ist. Der Text
RUDOLF JETTMAR
Frühjahrsausstellung der Wiener Secession
Schreibers hält' die Mitte zwischen einem Galerie-
Katalog und einer ausführlichen Beschreibung.
Er erzählt alles kunsthistorisch Wissenswerte von
dem Bilde, gibt die Maße, die Inschriften, die
Literatur und eine beschreibende Charakteristik
des Kunstwerks, die bald länger, bald kürzer ausgefallen
ist, je nach der Bedeutung des Werks
und wohl auch nach dem größeren oder geringeren
Interesse, das der Verfasser dem einzelnen Werke
entgegenbringt. Dieser Text hat Anlaß zu einem
Streit zwischen Dr. Georg Biermann und Prof.
Schreiber gegeben. Biermann verlangt, der Text
hätte die Geschichte der Kunst, die im Leipziger
Museum wenigstens für das 19. Jahrhundert ein
wirkliches geschlossenes Bild darstelle, zur Geschichte
der Sammlung und jener Zeit und diese
wiederum zum einzelnen Kunstwerk in Beziehung
bringen sollen. Mir erscheint das bei einem solchen
Bilderwerke ganz überflüssig, denn Kunstgeschichten
des 19. Jahrhunderts gibt es nachgerade genug; will
man aber durchaus eine solche Biermannsche »angewandte
« Kunstgeschichte des 19. Jahrhunderts
haben, so soll sie ein kleineres Format mit zahlreichen
kleineren Illustrationen haben. Es steht gar
nichts im Wege, daß Dr. Biermann ein solches nach
den Werken von Vogel und Schreiber veröffentliche.
Auch der andere Vorwurf, Schreiber habe nur Katalognotizen
beigebracht, ist in dieser Allgemeinheit
unberechtigt. Die weitaus meisten Begleittexte
— bis zu 80 Zeilen! — bieten weit mehr zur Hinführung
an das Werk und zwar nicht in Form von
Notizen, sondern in zusammenhängender Darstellung.
Und wenn man
auch einzelne dieser
Texte bemängeln
könnte, so
liegt doch kein
Grund vor, das
Werk seiner Tendenz
nach für verfehlt
zu erklären
und zu behaupten,
>dieses im Auftrage
des Rates der
Stadt Leipzig ausgeführte
Werk genüge
nicht den Ansprüchen
und Erwartungen
, die jeder
Kunstfreund
an ein solches
Buch über sein
Museum zu stellen
berechtigt sei«.
Auch ein Bilderbuch
mit begleitendem
Texte —
so nennt Dr. Biermann
das Schreibersche
Werk —
ist keineswegs etwas
Verächtliches,
sondern hat seine
volle Berechtigung
. Ich bin überzeugt
, daß dieses
Werk über das
Leipziger Museum
rechtvielen Kunstfreunden
vollauf
genügen und Freude
bereiten wird.
P. Sch.
DER DICHTER (RADIERUNG)
Redaktionsschluß: 28. April 1908
Für die Redaktion verantwortlich: F. Schwärtz.
Ausgabe: 14. Mai 1908
Druck und Verlag von F. Bruckmann A.-G. — Beide in München
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