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^r^£> EDUARD VON GEBHARDT <^ö-
treten wissen will, wie sie in der zweiten
Hälfte des vorigen Jahrhunderts etwa von
Ernest Renan in Frankreich und von Daniel
Schenkel in Deutschland ausgesprochen wurde.
Lediglich die Sehnsucht, seinem Volke so
eindringlich wie möglich zum Herzen zu reden,
was ihm nur möglich erschien, wenn er ihm
wirklich in sich abgeschlossene Menschen vorführte
, hat Gebhardt von Anfang an zu der
Ueberzeugung gebracht, daß er nur Individuen
aus der eigenen Nation zur Verständlichmachung
der heiligen Geschichten heranziehen dürfe,
diese selbst aber als Tradition des Volkes behandeln
müsse. Nicht auf geographische und
historische Richtigkeit kam es ihm bei den
dargestellten Vorgängen an, sondern lediglich
auf die innere Wahrheit und diese war seinem
reinen, kindlichen Herzen, als das Ergebnis
einer persönlichen Veranlagung und einer ernst
erstrebten Verinnerlichung natürliches Bedürfnis
. „So findet denn Niemand die Wahrheit",
so läßt er den Mann auf dem Bilde „Aus der
Reformationszeit" (Abb. S. 434) in das vor
ihm aufgeschlagene Buch eintragen, „ersuche
sie mit Ernst. Wer kann suchen —, er habe
denn Freiheit auch des Irrens. So strebe denn
jeder nach Freiheit und nütze sie, die Wahrheit
zu suchen."
Der Wille, dem Volke verständliche Darstellungen
zu übermitteln, führte Gebhardt zu
der Ausbildung eines eigenen Stiles, denn
von einem solchen darf man wohl reden.
Rein äußerlich genommen, spricht sich dieser
— abgesehen von der Modulation des Ausdrucks
—, in der Wahl des Kostüms aus.
Schaarschmidt begründet sie in dem eingangs
erwähnten Aufsatze mit den eigenen Worten des
Meisters, daß er „als Deutscher für Deutsche"
male. Die gleiche Erwägung hat in unserer
Zeit auch andere religiöse Maler veranlaßt,
ein, wenn auch nicht modernes, so doch gewissermaßen
zeitloses, vor allem aber für jeder-
eduardvon gebhardt
elias
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