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KARL KUNDMAN N
Jubiläumsausstellung im Wiener Künstlerhaus
MADONNA
DIE JUBILÄUMSAUSSTELLUNG IM WIENER KUNSTLERHAUS
Von Karl M. Kuzmany
Es ist zwar ein politisches Datum, ein für
das gesamte Staatsleben in Oesterreich
bedeutungsvolles, von dem die heurige Frühjahrsausstellung
der Wiener Künstlergenossenschaft
ausgeht. Aber in ihrem Hause an der
Lothringerstraße hat sie in den 60 Jahren, auf
welche die Regierung des Kaisers nunmehr
sich erstreckt, schon durch vier Jahrzehnte
Bestand und feiert darum auch ihren Anteil
an jenem größeren Zeitabschnitt. Mit der
ganzen Epoche durch vielerlei Fäden verbunden
, durfte sie jedoch bis zu deren Beginn
zurückgreifen, als sie eine retrospektive
Musterung über alle Leistungen auf künstlerischem
Gebiete veranstaltete. Mit wenigen
Ausnahmen ist nur auf Wiener Boden Entstandenes
darin vertreten; hier offenbart sich
jaamdeutlichsten, wasdem Franz-Josephischen
Kunstalter eigen ist, von dem eine Ausstellung
nur bruchstückweise durch originale Werke
berichten kann, denn hinzudenken muß man
sich die Schöpfungen der Architekten und
andern Monumentalbildner.
Zwischen der als geschichtliches Zeugnis
zu betrachtenden „retrospektiven" und dem
modernen Teil der Ausstellung, darin die Ernte
des letzten Jahres enthalten ist, klafft eine
Lücke; sie wird einigermaßen durch das Programm
gerechtfertigt, welches das Historisch-
Gewordene und das Neue vom Tage durch
ein sozusagen neutralisierendes Jahrzehnt voneinander
geschieden wissen wollte. Just während
dieser Periode hat sich in Wien viel
frisches, viel umstürzendes Leben geregt, dank
der „Secession" aus dem Elternhause hier und
der weiteren Abspaltung von Gruppen, die jetzt
selbständig ihre Daseinsberechtigung erweisen.
Die im Künstlerhaus verbliebenen konservativen
Elemente überdauerten die Schwächung,
aus der gründlichen Kraft der Meister unter
ihnen und dadurch, daß die Genossenschaft
den nachdrängenden Talenten wieder mehr
Raum zur Betätigung ließ.
Eine Wanderung durch die retrospektive
Ausstellung gewährt den Ausblick auf viele
stolze Kapitel der österreichischen Kunstgeschichte
; ihre Abfolge jedoch ist öfter unterbrochen
, und nur dem Wissenden ergibt sich
der wahre Zusammenhang, wenn er das Vorhandene
durch Ausscheiden und durch Ergänzungen
berichtigt. Allerlei Zufallsgut würde
man gerne vermissen und dafür etwa Feuer-
Die Kunst für Alle XXIII. 20. 15. Juli 1908
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