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-=*=4s£> DIE JUBILÄUMSAUSSTELLUNG IM WIENER KÜNSTLERHAUS <^=^
große Leinwände, die für den Festsaal des
Wiener Rathauses bestimmt sind. A. H. Schräm
(„Fischer von Erlach erklärt Kaiser Karl VI.
das Modell der Karlskirche") kommt seine
Uebung zugute, derlei Aufgaben zu lösen,
während J. Qu. Adams in dem Entwurf für die
„Ankunft Friedrich Barbarossas an der Donau"
mit seinen als eleganterBildnismaler( Abb. S.469)
erwiesenen Qualitäten nicht ausreicht. Jehudo
Epsteins „Lagunenlieder" sind nicht durchaus
im Beleuchtungsproblem geglückt, auch in der
Komposition nicht so wohlerwogen geschlossen
wie L. B. Eichhorns „Die Gedrückten" ; neben
diesem Nachwuchs meldet sich der auf idealeren
Bahnen wandelnde Oskar Hermann-Lamb
„Sehnsucht" (Abb. geg. S. 464). Bisher nicht
über keck gegriffene Studien aus dem Wiener
Vorstadtleben hinausgekommen, überrascht
Hans Larwin jetzt durch zwei koloristisch
sehr saftige Szenen, die das Treiben in einer
Heurigenschenke und die Heimkehr der bunte
Lampions tragenden Sonntagsausflügler schildern
. Ungeschminkt in der Wiedergabe der
feuchtschmutzigen Atmosphäre läßt die,, Kreideverladung
im Hafen von Glasgow" Raimund
Germelas kaum das mondän glatte Gehaben
seines Damenporträts ahnen. Die sauberen
Genrebildchen von Straka, Kinzel, Hessl, die
Bauernfarben-Fanfaren von Ruzicka fehlen
ebensowenig wie dieSynagogentypen von Isidor
Kaufmann und Lazar Krestin; so hart und
geleckt die Märchen und Legenden von Gottlieb
Kempf von Hartenkampf sind, haben
sie doch den Reiz deutschen Gemütslebens.
Auf die Wiener Porträtisten wurde auch
schon in der „Retrospektiven" aufmerksam gemacht
. Ganz virtuos ist Paul Joanowitch
ein tieftoniges Damenbildnis gelungen, mehr
nach dem Geschmack der blendenden Engländer
und Franzosen das Toilettengeraschel
bei Hermann Torggler (Graz) und dem in der
Farbe matteren Karl Gsur. Sehr sicher sind
W. V. Krausz und Louis Uhl geworden, in
neuzeitlich angeregter Wiener Tradition, der
Stauffer, Lebiedzki und Horovitz treu
blieben.
Die Landschafter auch nur ungefähr vollzählig
nach ihren Tendenzen zu kennzeichnen,
gestattet derschmaleRaum dieser Spalten nicht.
Zudem müßte das oft über das Schwelgen in
komplementären Farben, wie es Kasparides
liebt, Gesagte wiederholt,müßten diebekannten
Vorzüge von Darnaut (Abb. S. 468), Robert
Russ, dem nun Max Suppantschitsch („ Aus
dem Lande der Romantik") nahe kommt, von
Zoff, Wilt, Ameseder, Tomec, Strecker
u. a. m. neuerlich gerühmt werden. Im Format
und in der Anschauung hat sich, von den Franzosen
zu den Worpswedern abschwenkend,
Rudolf Quittner (Abb. S. 477) gesteigert.
J. N. Geller weiß dadurch, daß er ohne Aplomb
auf der guten „österreichischen Linie" bleibt,
in seinen Bann zu ziehen; Max von Poosch
wirkt durch ein leise betontes lyrisches Element
, Simony durch duftige Zartheit, sehr
im Gegensatz zu viel energischeren Frauen
Olga Wisinger-Florian und Tina Blau,
denen eine junge Dame, Mini Gause, nachstrebt
. Aber an das nur selten erreichte Ziel,
zugleich die dekorative Wirkung einer großen
Tafel zu wahren und das Seelische intim zu
spiegeln, ist Ferdinand Brunner gelangt: in
der „stillen Flur", wo die Felder ruhig atmen
und die Wolken traumhaft am Himmel ziehen;
sein „Wanderer" ist, wie ein kleines Menschenschicksal
im All, fast an die Weite verloren,
trostlos, strahlte nicht über der sich türmenden
Wolke das Aetherblau.
Die Graphiker, sonst allzu leicht ins Gedränge
versprengt, durften sich in glücklicher
Abgeschiedenheit sammeln. William Unger
feiert seinen siebzigsten Geburtstag durch die
mit gewohnter Meisterschaft radierte Reproduktion
eines Rembrandtschen Selbstporträts
und kleine Originalblätter; alle Ehre machen
ihm seine Schüler Danilowatz, Gold, Wese-
mann, dem nie etwas besser gelungen ist als
die schweren Gäule der „schlechten Fahrt";
L. Kasimir hat sich im Hamburger Hafen nach
Motiven umgesehen, Alfred Cossmann zeigt
in Exlibris seine Andacht zum Kleinen, erstaunlich
sicher und unermüdlich im Dazu-
lernen. Anläßlich seiner vor etlichen Monaten
veranstalteten Kollektivausstellung hatte Ludwig
Michalek, als er endlich nach langer
Pause die Scheu vor der Oeffentlichkeit überwand
, auch die Studien zu der (im Auftrag des
Baurats K. Redlich ausgeführten) Radierung
„Maschinelle Bohrung im Tauerntunnel" gezeigt
. Nun entließ eraus seiner Werkstatt einen
Probedruck des mächtigen Blattes (Abb. S. 475),
das zu einer Serie von Darstellungen des Baues
der neuen Alpenbahnen gehört; kein anderer
Vorwurf kam der Schwarzweißkunst des Radierers
als dem zu seiner Wiedergabe geeignetsten
Mittel so entgegen wie dieser Vorgang, mit
den blanken Maschinenteilen im Flackerlicht
und den Menschen, die im Helldunkel das
ungefüge Gestein bezwingen.
Von einigen Werken der Skulpturenhalle, an
deren Eingangswand Rudolf Weyr ein Huldigungs
-Relief improvisiert hat (Abb. S. 480),
sprechen hier die illustrativen Beigaben deutlich
genug. Für dekorative Zwecke sind der
„Velasquez" von Brenek (Abb. S. 465) und
der „Kaiser Konstantin" von Scherpe, wohl
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