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Werke gab, jedem Kunstfreund, jedem Künstler angelegentlichst
zum Studium zu empfehlen. Das Buch
wird noch zweifellos für manchen jüngeren Künstler
ein Erlebnis bedeuten. Klossowskis Buch über Dau-
mier gehört zu denen, die dem ehrlichen Kunsthistoriker
und Kunstfreund das Bekenntnis abnötigen
, es ist viel wertvoller für uns, einen einzigen
oder wenige Künstler ganz kennen zu lernen, als
mit einer ganzen Menge von kleinen Künstlernamen
und Künstlerwerken vertraut zu sein. Freilich
auch die Lebensgeschichte tüchtigster Künstler
vermag nur der Schriftsteller zu einem Erlebnis zu
machen, der über künstlerisches Darstellungsvermögen
verfügt. Das besitzt Klossowski, und so wird
sein Buch für viele noch etwas mehr: eine feine
künstlerische Unterweisung für alle Maler.
KaiserMaximilians I. Gebetbuch mit Zeichnungen
von Albrecht Dürer und andern Künstlern.
Photographischer Faksimiledruck in 4 — 11 Farben.
Mit Unterstützung des K. K. Ministeriums für Kultus
und Unterricht in Wien und des Kgl. Ministeriums der
Geistlichen, Unterrichts- und Medizinal-Angelegen-
heiten in Berlin. Herausgegeben von Karl Giehlow.
Geheftet, in Kassette M. 425.—; in kostbarem Ledereinband
und Kassette M. 525.—. München, Verlag
von F. Bruckmann A.-G.
Es sind gerade hundert Jahre her, daß sich Goethe
an Albrecht Dürers »Christlich-mythologischen Handzeichnungen
«, die Joh. Nep. Strixner mittels der damals
neuen Technik der Lithographie vervielfältigt
hatte, erfreut und für sie begeistert Propaganda gemacht
hat. Seither ist das Wissen um diese Zeichnungen
und das Werk, zu dem sie gehören, erheblich
gewachsen: man hat erkannt, daß das Gebetbuch,
dessen Text sie umranken, für Kaiser Maximilian I.
bestimmt war, man hat den vollständigen Text und
eine Ergänzung des von Albrecht Dürer und Lucas
Cranach d. Ae. illustrierten Münchener Teiles in Be-
sancon gefunden, man weiß, daß Hans Burgkmair,
Hans Baidung Grien, Hans Dürer, Jörg Breu und
ein Albrecht Altdorfer nahestehender Künstler für
das Fragment in Besangon gearbeitet haben, man
kennt die Entstehungsgeschichte und die schließlichen
Schicksale des Gebetbuches, man hat ausgeforscht
, daß es textlich die Erweiterung eines großenteils
von Maximilian selbst verfaßten älteren Gebetbuches
ist, daß es in zwei Ausgaben für den von
Friedrich III. gegründeten St. Georgsorden bestimmt
war, daß die Handzeichnungen des in München und
Besangon erhaltenen Exemplars als Vorlagen für den
Holzschnitt hätten dienen sollen und daß sie vielfach
als Hieroglyphen (im Geiste der Renaissance)
zu verstehen sind. Die zuletzt angeführten Ergebnisse
wissenschaftlicher Forschung werden KarlGiehlow
verdankt, dem Herausgeber der neuen Publikation
des Gebetbuches. Gediegener Forscher und großherziger
Mäcen in einer Person, hat er eine Ausgabe
zustande gebracht, die an Treue der Wiedergabe wohl
kaum ihresgleichen hat. Die prachtvollen Federzeichnungen
, verschiedenfarbig und bald mehr bald
minder verblaßt oder verdorben, die köstlichen
schwarzen und roten Lettern des Textes, ihre scharfe
Prägung und ihr zartes Durchschimmern, die die Zeilen
einrahmenden rosa Linien, die Künstlerin onogram me,
das dünne, leicht gewellte Pergament mit seinem
warmen Ton, seinem Schmutz und seinen Wasserflecken
, all das ist so ausgezeichnet wiedergegeben,
daß Kunstgelehrte und Kunstfreunde die gleiche
Freude dran haben müssen, daß der kostbare Schatz
deutscher Zeichenkunst um das Jahr 1515, den das
Gebetbuch darstellt, eigentlich jetzt erst voll und
ganz genossen und gewürdigt werden kann. Von der
Publikation kommen 350 numerierte Exemplare auf
Papier und 4 auf Pergament in den Handel. Jene
sind teils gebunden, teils in Lagen geheftet. Der
Einband der ersteren ist dem Buche, das Dürers
Madonna mit dem Zeisig in der Hand hält, nachgebildet
, die Schrift auf den Kassetten, die allen Exemplaren
gemeinsam sind, ist nach dem von Dürer
entworfenen Majuskel-Alphabet geschnitten. Albert
Berg er in Wien, ein großer Künstlerin seinem Fache,
hat die volle zehn Jahre in Anspruch nehmenden
Reproduktionsarbeiten geleitet, an denen Photomechanik
und Künstlerhand fast gleichen Anteil haben.
Die nach vielen eingehenden Versuchen gewählte
Vervielfältigungsmethode ist die Lithographie, also
dieselbe, mit deren Hilfe 1808 die Dürer-Zeichnungen
des Münchener Bandes zum erstenmal reproduziert
worden sind. a. w.
Münchner Jahrbuch der bildenden
Kunst. Herausgegeben von Ludwig v. Buerkel.
1907. 1. und 2. Halbband. M. 15.—. München, Verlag
von Georg D. W. Callwey.
Die beiden neuen Bände des Münchner Jahrbuchs
der bildenden Kunst sind an innerem Wert
ihrem Vorgänger entschieden überlegen. Es kommt
mehr »Stil« in die Publikation, und es hat sich kein
einziger wertloser oder uninteressanter Beitrag in die
beiden Bände verloren. Ich muß mich hier darauf
beschränken, ohne jede kritische Glosse das Wichtigste
herzuzählen. Besonders bedeutungsvoll erscheinen
mir die beiden Aufsätze von Furtwängler,
der eine über das »Mädchen von Antium«, eine Marmorstatue
im Nationalmuseum zu Rom, die Furtwängler
dem Kreise des Lysippos zuteilt; der andere
eine kritische Wertung eines antiken Bronzekopfes des
Kaisers Maximin im Münchner Antiquarium. Furtwängler
hat dieses charaktervolle Werk bei der Neuordnung
des Antiquariums, die er im Winter 1906 07
durchführte, erst wieder entdeckt. Mit schwarzer
dicker Farbe bestrichen, hielt man es bislang für
einen Bronzeabguß des 17. Jahrhunderts. Mit Furtwängler
hat das »Jahrbuch« einen seiner besten und
treuesten Mitarbeiter verloren, und es war eine Ehrenpflicht
des Herausgebers, den Nekrolog auf Furtwängler
, den Walter Riezler mit feinem Eingehen
auch auf die künstlerische Persönlichkeit des Gelehrten
geschrieben, an hervorragender Stelle des
zweiten Halbbandes abzudrucken. — Ueberein Kunstwerk
, das die Münchner Staatsbibliothek aufbewahrt,
ein Messingbecken, reich mit Silber tauschiert, der
Tradition nach ein Beutestück Max Emanuels aus
dem Jahre 1686, schreiben Sarre und van Berchem.
Dieser entzifferte die Inschrift, aus der hervorgeht,
daß das Becken auf Befehl des Atabeks Lulu von
Mosul (1233 — 1259 n. Chr. Geb.) hergestellt wurde.
Professor Karl Voll weist altfranzösische Bilder in
der Münchner Alten Pinakothek nach, das eine, eine
Verkündigung, wurde bisher der Schule Filippo Lippis
zugeschrieben, zwei andere, lebensgroße Figurenbilder
, heilige Bischöfe, sah man irrtümlich als neapolitanische
Arbeiten an. Die wichtigste hierher gehörige
Arbeit in der Alten Pinakothek ist aber ein
aus Cöln stammender Altar, den ein Meister Pierre
des Mares 1517 gemalt und signiert hat. Voll weist
die Plagiate auf, die dieser Maler an Dürer verübt,
und deckt zugleich die Beziehungen des Künstlers
zu Hugo van der Goes und zum Bourbonenmeister
auf. Heinz Braune, ein jüngerer Münchner Kunsthistoriker
, berichtet über den Fund, den er in der
Gemäldegalerie Nürnberg machte: Den wappengeschmückten
Deckel zu dem Dürerschen Bildnis des
Oswald Krell in der Münchner Pinakothek; damit ist
ein neuer, zuverlässiger, wenn auch nicht besonders
bedeutender Dürer gesichert. Von dem nämlichen
Autor stammen »Beiträge zur Malerei des Bodensee-
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