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DIE INTERNATIONALE KUNSTAUSSTELLUNG DER MÜNCHNER SECESSION
bilder, nicht etwa Veduten nach Canalettos
Art, sondern eher an die besten neuen Franzosen
gemahnend. Walter BoNDY-Paris z. B.,
der uns auf dieser Ausstellung seinen „Quai
aux fleurs" zeigt, kann gut mit ihm verglichen
werden.
Von den Arbeiten, die uns Berlin schickte,
gefällt mir am besten Corinths saftiger „Fleischerladen
", sonst brachte noch Kardorff
ein ausgezeichnetes Porträt des Herrn von Hey-
mel, Leistikow seinen „Scharmützelsee", Or-
lik ein exotisches Bild und Hübner seinen
wundervoll in die Tiefe gehenden „Hafen von
Travemünde". Aus Stuttgart kam Landen-
berger mit brillanten Geflügelstilleben, aus
Hamburg Lissmann mit allerlei fast ornamental
aufgefaßtem Wassergetier. Der Dresdener
Ferdinand Dorsch zeigt das frische, lebendige
Bildnis Gotthard Kuehls. Aus Paris schickte
Eugen Spiro seine koloristisch pikante „Cour-
tisane", die man sich ohne Manets „Olympia"
allerdings nicht denken könnte, ebendorther
kam der seltsame Rückenhalbakt Besnards und
die Tänzerin Blanches (Abb. S. 522), ein
liebenswürdiges Bild, wie es uns der bekannte
Meister in ähnlicher Art schon
manchesmal gezeigt hat. Die markanten
Herrenporträts von Ivan
THiELE-Paris (Abb. S. 511) wollen
wir nicht übersehen, es ist viel
inneres Leben und äußere Gestaltungskraft
in ihnen. Aus England
kam John Lavery mit einer in
jeder Hinsicht vornehmen Lady,
aus Rußland Gerasim Golovkoff
mit einem schmelzend gemalten
Flußbild voll zauberischer Frühlingsstimmung
(Abb. S. 514). Dagegen
eignet den Landschaften des
Belgiers Valerius de SAEDELERein
melancholischer Ernst, ein leises
Müdesein, ein übersensibles Naturgefühl
(Abb. S. 520). Besonders gut
ist Schweden auf der Ausstellung
vertreten. GöstaBernard Öster-
mann hat charaktervolle Bildnisse
da, Hesselbom eindrucksvolle dekorative
Landschaften und Anders
Zorn drei farbenfrohe, überaus
einprägsame Figurenbilder, von denen
einen besonders der glänzend
hingesetzte Kopf eines schwedischen
Bauernmädchens mächtig
packt (Abb. S. 508). Auch als Graphiker
tritt Anders Zorn hervor,
doch scheint ihm hier sein Landsmann
Carl Larsson überlegen zu
sein. Von unseren deutschen Graphikern
möchte ich besonders Otto Greiner
mit ganz ausgezeichneten Stichen, Oskar Graf
mit einigen Originalaquatintablättern (Abb.
S. 512) und Willi Geiger mit seinen farbenradierten
Stierkämpferszenen hervorheben.
GEDANKEN ÜBER KUNST
Ich spreche nicht mit einer zu großen Wichtigkeit
von der Kunst. Nein, wahrlich, die Kunst ist
nicht bloß zur Unterhaltung oder ästhetischen Bildung
oder gar als Luxusartikel in die Welt gesetzt . . . .,
sie ist ein Herold im prachtvollsten Gewand, welcher
das Lob des Himmels und seiner Gnade nicht nur
verkündigen, sondern auch befestigen soll .... Nicht
will ich hier ein Monopol der Historienmalerei aussprechen
. Mich haben in dieser Hinsicht Landschaften,
wie Skizzen des Lebens ebenso ergriffen. Es kommt
hier auf den Ton, auf das Grundgesetz an, von wo
ausgegangen wird . . . Wohl, also Klugheit und Vernunft
dabei — es geht ganz gut — so habe ich bis
jetzt meinen Kunstweg verfolgt, von meiner Richtung
um kein Haar abgewichen und nebenbei aber auch
meinen Vorteil nicht außer acht gelassen. Rethei
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„Item aus welchem ein großer kunstreicher Maler
werden soll, der muß ganz von Jugend auf dabei erzogen
werden." Dürer
ALBERT VON KELLER
Sommerausstellung der Münchner Secession
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