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-^ö> „PERSÖNLICH" <S^r-
still. Er nimmt sich vor, diesem ahnungslosen
Menschen und Kunstfreunde ein kleines
Kapitel zu lesen: Ueber die Förderlichkeit
des Umgangs von Künstlern und Kritikern
in Hinsicht auf die sachliche Beurteilung von
Kunstwerken. Oder so ähnlich. Der Titel
kann beliebig verlängert werden.
Aber die Herren gehen nun tatsächlich.
Und der Professor sagt händeschüttelnd: „Ich
regung zu einer in mancher Beziehung förderlichen
Arbeit zu geben. Woher also der Lärm?
Ich will die Sache von allem persönlichen
Drumherum befreien, will also ganz davon
absehen, daß euer Besuch mir höchst ungelegen
kam, weil ich mitten aus einer drängenden
Arbeit gestört wurde und mich beeilen
muß, wenn ich reisen will. Nehmen wir den
Fall so sachlich wie möglich.
JACQUES EMILE BLANCHE
DIE TÄNZERIN
Sommerausstellung der Münchner Secession
freue mich sehr, die Gelegenheit benützt zu
haben, Ihnen persönlich . . ."
Der Kritiker verbeugt sich bereitwilligst.
Giftig aber, wie diese Sorte nun leider ist,
setzt er sich alsbald hin und schreibt dem
Freunde folgenden Schreibebrief:
Du wirst es seltsam und ungerecht finden,
daß ich dich, Verehrtester, heut etliche Male
kreuzweis verflucht habe. Denn du hast mir
nichts Böses getan, hast die beste Absicht gehabter
Kunst einen Dienstundeinem Künstler
eine Gefälligkeit zu erweisen, mir aber die An-
Im Interesse der Kunst bringst du Künstler
und Kritiker auf kurze Zeit zusammen und
erwartest nun, daß die Geister in der Retorte
einander durchdringen. Daß nach Art chemischer
Prozesse eine neue Lösung sich absondern
werde, ein wirksames Produkt und
eine Art kritisches Kunstpulver zur Düngung
und Befruchtung der Kunstgesinnung weiterer
Kreise. Du denkst, der beste Dolmetsch der
Kunst ist der Künstler selbst. Er muß nur
das nötige Werkzeug und Sprachrohr finden,
seine Meinung öffentlich kundzutun. Und da
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