http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_17_1908/0624
-b-4sz5> „PERSÖNLICH" <^=^
er des Wortes und der Schrift meist schwerer
und schwerfälliger sich bedienen wird als der
Federfuchser von Beruf, so ist dieser als
Sprachrohr ausgezeichnet zu verwerten.
Ganz so denkst du nicht? Das ist schön und
gut. Aber Hunderte von Künstlern, Tausende
von Laien denken so. Und da wir den Fall
ins Allgemeine gezogen haben, erlaube mir,
mich auch mit dieser Allgemeinheit auszusprechen
.
Sie vergißt nämlich, daß der Kritiker neben
seinem Amt auch noch ein Ich hat. Und daß
er befugt und verpflichtet ist, dieses ganz
individuell gefärbte und begrenzte Ich demjenigen
des Künstlers entgegenzustellen. Der
Künstler entnimmt das Maß für Gut und
Schlecht in seinem Werke niemals den abstrakten
„ewigen Gesetzen" der Schönheit und
PAUL PETERICH MEDEA
Sommerausstellung der Münchner Secession
Kunst, sondern seinem ganz persönlichen Gefühl
. Das schließt nicht aus, daß in diesem
Kunstgefühl ein paar Grundgesetze der Schönheit
dauernd lebendig sind und bei jedem
Strich, jeder Arbeit der werkenden Hand
ihr geheimes Wort mitreden. Der Kritiker,
oder, um das böse Schulmeisterwort unsrer
Kunstweisheit beiseite zu lassen —: der Genießer
antwortet dem Werke nach genau denselben
Gesetzen des unmittelbaren Gefühls.
Will er seine Antwort zum Urteil erheben,
will er begründen, so wird er aus Gefühlserfahrungen
heraus urteilen, in denen ebenso
wie beim Künstler ein gesetzmäßiger Niederschlag
der Erkenntnis von Schön und Häßlich,
von Künstlerisch und Unkünstlerisch mitsprechen
wird. Der Unterschied ist im wesentlichen
der, daß der Künstler eine sinnlich
wahrnehmbare Form als Ausdruck seines gefühlsmäßigen
Verhaltens schafft, daß er schöpferisch
aktiv wird, während der Genießende
die geschaffene Form innerlich, rein als Phantasieprodukt
nachschafft, nachfühlt und als
befreienden Ausdruck gehemmter eigener Gefühlserfahrungen
seinem seelischen Erlebnisbesitze
anheimgibt. Dies Verhalten entbehrt
einer gewissen Aktivität nicht, obgleich nach
außen nichts „bewegt", nichts sinnfällig dargestellt
wird. Aber man darf es doch überwiegend
rezeptiv nennen.
Nun kommen die Künstler — nicht alle,
gewiß nicht, aber doch recht viele und
sagen: seht her! hier geben wir euch Kunst.
Wahre, echte, unverfälschte Kunst, mit unserem
Herzblute genährt. Nehmt sie hin,
genießt sie, und gewährt uns dafür die Mittel
zum Leben und Weiterschaffen. Der Genießer,
der Publikus, wie er im Durchschnitte ist,
traut sich aber nicht recht. Er möchte doch
vorher wissen, ob das wirklich Kunst ist,
was ihm da geboten wird. Er versucht, sich
selber drüber klar zu werden, d. h. er vergleicht
und bewertet das Dargestellte nach
seiner eigenen inneren Erfahrung. Aber wie
oft versagt sie ihm völlig! Resolut wie Herr
Publikus von Hause aus ist, geht er darauf
meist zur Tagesordnung über und hält sich an
jene Kunst, die er versteht und die ihm gefällt.
(Der Schluß folgt)
NEUE KUNSTLITERATUR
G. J. Wolf: Kunst und Künstler in München
. Mk. 4.—. Straßburg i. E. J. H. Ed. Heitz.
Interessenten des Münchner Kunstlebens, wie es
sich hauptsächlich seit Beginn des vorigen Jahrhunderts
, seit der Aera König Ludwigs I., entwickelt
und bis heute weiterentfaltet hat, wird das kleine,
vor kurzem bei J. H. Ed. Heitz (Heitz & Mündel),
Straßburg, erschienene Büchlein eine willkommene
524
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_17_1908/0624