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WALTER LEISTIKOW f
> Freitag, den 24. Juli, ist
Walter Leistikow zu
Schlachtensee bei Berlin
nach schwerem Leiden,
43 Jahre alt, gestorbene
Sie haben ihn zur Erde gebettet. In die märkische
Erde, die er so sehr liebte. Wie ein
Flüstern, ein Lispeln wehmutsvoller Klagen
ging es durch die Kiefern. Da stehen sie, die
alten wetterfesten Recken und trauern. Es
trauert der See, der sich zu ihren Füßen ausbreitet
. LautloseStille. Ueber dem Waldgeht soeben
der Mond auf.
Ein Silberstreif leuchtet
der Wasserspiegel einer
Bucht durch die Stämme.
In schwarzen Silhouetten
heben sich die Kronen der
Bäume vom strahlenden
Nachthimmelab. Unddaß
seine Größe, seine und
des Waldes feierliche
Pracht verklärt erscheinen
, gibt der See das Bild
zurück, dessen Wasser ein
Windhauch kräuselt. —
MitWorten läßtsich ein
Bild nicht beschreiben.
Aber wer kennt nicht den
märkischen Waldsee Lei-
stikows, seine „Havelkähne
", das „Teufelsmoor
"? Wer kennt nicht
seine „Dünen" von der
friesischen Küste, seine
„Brandung",seine Alpen-,
Wald-und Parklandschaf-
ten? — Wenn je ein „Moderner
" den Beweis erbracht hat, daß man ein
guter „Maler" sein kann und zugleich ein großer
Dichter, so hat ihn Leistikow, auch literarisch,
erbracht. „Stimmung" lautet seineParole,mager
Unheil dräuende Wetterwolken malen, die über
das Land dahinziehen, Bäume, dieein Orkan zerschmetterte
oder die Ufer der Spree im Sonnenschein
. Whistler sagt an einer Stelle: „Das
Gegenteil von Kunst ist die Malerei, die sich
durch stofflichen Inhalt in den Dienst des Philistertums
stellt" und durch Zufall ist dieser
Aphorismus unter einen Aufsatz der „Kunst"
über Leistikow geraten. Julius Elias, der Verfasser
, hätte ihn als Motto seiner Studie voranstellen
können. Denn der Künstler haßte
mit der ganzen Leidenschaftlichkeit seines
Wesens diese Art Malerei. Der wahre Inhalt
eines Bildes von Leistikow liegt nicht im Motiv,
sondern in der Gestaltung. Ob er die Kunst
WALTER LEISTIKOW
Nach einer Lithographie von Edvard Münch
anderer, die das Programm der Secession nicht
beschwören, immer mit Recht „akademisch"
nannte, tut nichts zur Sache. Vielleicht
vergaß er, daß auch ein Kallmorgen ohne
„stoffliche Prätensionen" malt. Gude, Leisti-
kows Lehrer, gehörte noch einer älteren Generation
an. Für ihn war das Motiv noch Hauptsache
. Die „schöne Aussicht". Und wie weit
hatte sich Gude von den Meistern der heroischen
Landschaft entfernt! Tempora mutantur.
Wir wollen es dem Verblichenen nicht nachtragen
, wenn er manchmal ein zu hartes Wort
über den Gegner gesprochen hat. Wo blanke
Schwerter blitzen, stieben
Funken und im
Kampfe erprobt sich die
Kraft. „Eine Kampfnatur
war Leistikow." Die Berliner
Secession wäre
heute nicht das, was sie
ist, wenn sie Leistikows
Rat und Hilfe hätte entbehren
müssen. Unter
den „Elf", die 1892 die
neue Bewegung einleiteten
, stand er in erster
Reihe. Einer der ersten
blieb er ihr bis zum Ende
treu. NunsichdiePforten
des Grabes über ihm geschlossen
, ruhendieWaf-
fen. Erschüttert von der
Erhabenheit, der Gewalt
des Werkes, das des
Künstlers nie rastende
Phantasie und nimmer
müde Hand geschaffen,
reichen sich seine Freunde
und Widersacher die
Hand. Möge dieser Handdruck ein Symbol
sein! Möge er dazu beitragen, kleinliche persönliche
Feindschaften zu zerstören und die Gegensätze
der künstlerischen Auffassungen zu
versöhnen zum Heile und zur Ehre der Deutschen
Kunst! G. J. Kern
Wir verweisen auf den illustrierten Aufsatz von
Julius Elias, den unsere Zeitschrift im Maiheft des
Jahrgangs 1902/03 dem nun heimgegangenen Meister
gewidmet hat, ferner auf die Reproduktionen seiner
Werke in Jahrg. 1898/99, Seite 333, Jahrg. 1899/1900,
Seite 354,473 und 518,Jahrg. 1900/01, Seite 496, Jahrg.
1901/02, Seite 279,462und 543,Jahrg. 1902-'03, Seite409,
Jahrg. 1903 04, Seite 451, 473 und 549, Jahrg. 1904/05,
Seite 447, 454 und 510, Jahrg. 1905/06, Seite 410, Jahrg.
1906/07, Seite 450, Jahrg. 1907/08, Seite 183 und 424.
Auch als Schriftsteller ist Leistikow bei uns zu Wort
gekommen: „Ueber den Deutschen Künstlerbund und
die Tage in Weimar" (Jahrg. 1903 04, Februar); „Ueber
Corinths Erlernen der Malerei" (Jahrg. 1907 08, Mai).
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