Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 18. Band.1908
Seite: 42
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DER „FALL MUTHESIUS" UND DIE KÜNSTLER

Wenn man als Künstler mit außenstehenden
intelligenten Leuten, die nicht zum
Fache gehören, über den „Fall Muthesius"
spricht, so kann man immer wieder den Ausernst
riegel-darmstadt « in silber getriebener
pokal mit reicher ziselierung

druck des Staunens darüber hören, daß seine
Worte die Kreise der kunstgewerblichen und
kunstindustriellen Firmen so erregen konnten.
Enthalten sie doch nichts, was in den letzten
zehn bis zwölf Jahren nicht laut und leise,
öffentlich und privat in allen Zeitungen, Zeitschriften
, Vorträgen, von Käufern, von Kunstschriftstellern
, Künstlern und sogar von Kunsthandwerkern
selber tausend und abertausendmal
wiederholt worden wäre. Konnte es in
kunstgewerblichen Dingen ein öffentlicheres
Geheimnis geben als die Tatsache, daß es
zwar in allen größeren Zentren stets Firmen
gab, auf deren absolut vornehme Leistungen
man vertrauensvoll rechnen konnte, daß aber
die große Menge der in großem Maßstabe
produzierenden kunstindustriellen Firmen jahraus
jahrein das Mögliche, ja sogar das Unmögliche
an geschmacksmordender Ware auf
den Markt warfen? Und nun auf einmal
dieser Entrüstungssturm gegen einen Mann,
dem jede anständige Firma dafür dankbar sein
sollte, daß er bei Publikum, Schulen und
Behörden rastlos für das erste, was nottut,
für eine sachliche, vornehme, wahrhaftige
Innenarchitektur statt der „beliebten" Surrogat
- und Talmikunst eintritt! Wenn man als
ein Künstler, der die ganze moderne Bewegung
von Anbeginn an wirkend mitgemacht
hat, die Verhandlungen des Düsseldorfer Kongresses
nachliest, so könnte einen die Empörung
über soviel Unverstand, über soviel hohles
Bellen, soviel absichtliches oder auch ahnungsloses
Verdrehen des Tatbestandes, über soviel
heimlichen Neid übermannen, wenn man nicht
tagtäglich auf anderen Gebieten dasselbe Schauspiel
erlebte. Denn ob es sich um die wühlende
Arbeit des herrschsüchtigen und dennoch
kulturell impotenten Ultramontanismus handelt
oder um das verbitterte, verbohrte Negieren
desbürgerlichen Fortschrittesseitens derSozial-
demokraten, die überall sehen müssen, daß es
auch ohne sie geht, ob es alternde Schulräte
sind, die warnend und heiser ihre Stimmen
erheben gegen Naturwissenschaft,Technik und
gegen geistige Selbsthilfe, oder ob es Akademiker
und Historienmaler sind, die Erlers
Fresken verdammen: stets ist es dasselbe
psychologische Problem. Nicht immer ist es
Brotneid, der all diese Leute quält, denn
sie sind meistens materiell besser und gesicherter
daran als wir Suchenden und Schaffenden
, sondern geistiger Neid, der Ruhm-
Neid ist es, einerseits die übliche wahnwitzige
Unterschätzung des Geistigen, ander-

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