http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_18_1908/0066
vor dem photographischen Apparat, wie unzählige
Bilder in den Schaukästen der Berufsphotographen
erkennen lassen. Alle natürliche
Lebendigkeit, alle kindliche Anmut in
Bewegung oder Haltung ist in der steifen,
gezwungenen „Stellung" verloren gegangen,
und selbst wo Kinder mit einem Spiel oder
einem Bilderbuch beschäftigt scheinen, merkt
man doch sofort, daß sie — im Bewußtsein,
photographiert zu werden — nicht bei der
Sache sind. Wie ganz anders der kleine Junge,
den Frau Ditha Moser, die Gemahlin Professor
Koloman Mosers, beim Spiel belauscht
und in einem glücklich beobachteten Moment
auf die Platte gebracht hat! Er spielt wirklich
! Hier fehlt alles absichtliche, das auch
beim Bild so leicht verstimmend wirkt. Jede
Beeinflussung würde das Spiel nur gestört,
ihm die Unbefangenheit genommen haben, die
der Aufnahme ihren Wert verleiht. Dieselbe
Natürlichkeit und Lebenswahrheit zeigt auch
das Bild des kleinen Mädchens, das so neugierig
ernst in die Welt blickt. Sehr geschickt
ist der helle Sonnenschirm als Hintergrund für
das Lockenköpfchen benutzt und doch alles
Posierte glücklich vermieden. Das Spiel des
Sonnenlichts wirkt hier noch besonders reizvoll
. Solche Aufnahmen gelingen freilich nicht
gleich beim ersten Versuch, vielmehr erst,
wenn das Kind zutraulich geworden ist und
sich in seiner natürlichen Art gehen läßt.
Sache des Photographen ist es dann, den
günstigsten Augenblick abzupassen und schnell
auszunutzen.
Sehr wesentlich für die gute Wirkung solcher
frau ditha moser-wien
Bilder ist natürlich auch die Wahl und Behandlung
des Hintergrundes. Wieviel bei Atelieraufnahmen
durch bemalte Hintergründe mit
Landschaftsbildern, Terrassen, Geländern,
Fensteröffnungen u. a. m. bei meist ganz unmöglicher
Beleuchtung gesündigt wird, braucht
an dieser Stelle nicht noch gesagt zu werden.
Freilichtaufnahmen bieten dem gegenüber von
vornherein mancherlei Vorteile
, doch ist auch hier auf
eine ruhige, neutrale Wirkung
des natürlichen Hintergrundes
zu achten, so daß
sich die Figuren genügend
plastisch von ihm abheben
und das Interesse nicht von
ihnen abgelenkt wird. Eine
gleichmäßig dunkle oder
helle Wand ist dafür keineswegs
notwendig. Baumgruppen
, Wiesengründe, Gartenplätze
bieten die brauchbarsten
Hintergründe, solange
durch unscharfe Einstellung
eine gewisse Geschlossenheit
gewahrt bleibt. Die beiden
Bilder auf Seite 47 sind
recht glückliche Beispiele dafür
, wie eine an sich reizlose
Landschaftsich zuguterBild-
wirkung ausnützen läßt. l. d.
photographische aufnahmen
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