Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 18. Band.1908
Seite: 70
(PDF, 145 MB)
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-b-S^> JOS. LICHTENBERG: ZUM KUNSTSCHAFFEN UNSERER ZEIT

an. Ueber dem Hochzeitspaar hingen einige Reinen und Tiefen! Da sollte die Kirche
Steindrucke von Thomas' Hand und darunter der wirklichen Kraft und sich selber helfen!
eine Geburt Christi, die jedem Menschen der Die diesjährige Sonder-Ausstellung für christdortigen
Gegend, aus der heraus sie entstan- liehe Kunst in Aachen scheint dem Echten die
den war, zum Herzen reden mußte. Das Wege bahnen zu wollen! Von der nächstjährigen
wäre wundervoll, wenn sich auch in den Ausstellung in Düsseldorf darf man das Gleiche
Kirchen das Leben nach den hohen Gesichts- erwarten. Zu solchen Unternehmungen sollpunkten
der Bibel aus der Heimat heraus ten in den einzelnen Diözesen kunstliebende
durch die Weihe der Kunst offenbaren würde, Männer suchend und belehrend unter das Volk
so daß sich die Menschen an ihr immer wieder gehen, statt gelehrte Bücher zu schreiben!
aufrichten könnten. Sie sollten Mittel zusammenbringen, um mit

Die Kunst muß wieder aus den reinen den wirklich aus innerer Not Schaffenden
Herzen und aus den stillen Gegenden heraus- jene Orte eine Zeitlang aufzusuchen, an denen
wachsen, um stärker zu wirken als die ge- ernste und große Kunst ihr gewaltig Wort
malten und gemeißelten Lügen und Selbst- redet. Vor mehreren Tagen wurde mir beim
täuschungen der Kunststädte. Mancher würde Anblick eines verwitterten Kreuzblumenteils
gern in Stadt und Dorf, ohne an klingenden vom Freiburger Münster noch so recht die
Lohn zu denken, das rechte Feuer entzünden. Aehnlichkeit desselben mit jener Unmenge
Das Volk, das noch mit einer großen Innig- kleiner erster Modelle klar, die ich vor einigen
keit, als Träger tiefsten poetischen Empfin- Jahren in Rodins Atelier in Paris sah, in
dens seine Marienlieder singt, hat auch die denen auch jenes Wechselspiel von Schatten-
Kräfte, jene Künstler hervorzubringen, die tiefen und Lichthöhen in den Leibern zum
mit derselben Innigkeit das Verhältnis einer Ausdruck kam! Was wird ein Rodin, der der
Mutter zu ihrem Kinde malen und meißeln Natur treu blieb, nicht alles an der Notre-
würden; doch die Werkstätten der Geschäfts- Dame gelernt haben! Bei ehrlichem Kunstleute
und die Ateliers der Akademien sind schaffen braucht man nur so zu arbeiten, wie
eine gleichgroße Gefahr für die Geburt des es die Alten taten! Hier in Freiburg stehe

ich immer wieder vor jenen groß und
rein geschaffenen, zu einer einzigen
Klarheit zusammenklingenden Formen
des Münsterturmes, der in all seiner
Einfachheit das Tiefste im Menschen
grüßt und in seiner Vollkommenheit
den Glauben an die höchste
Schöpferkraft lebendig erhält. Hier
läßt ein Unbekannter die harten Steine
eine Sprache reden, die übervoll ist
von Freiheit und Wohlklang! Von
Freiheit, vom inneren Freier- und
Besserwerden aber will alles Bauen
und Tun einer Menschheit zeugen, die
sich mit Kraft an die Wahrheit des
Lebens hält und in der Kunst eine
Macht erkennt, die ihr zu eigener
Läuterung und Erhebungdas Schlechte
und Gute, das Vollkommene und Unvollkommene
, das Unreife und Reife,
mit einem Wort das wirkende Leben
so einfach und groß wie die Bibel in
höchster Schönheit als Spiegel vorhält.

Auf das Einfache und Vollkommene
im Kleinsten und Größten, aus
Leidenschaft und Liebe Geschaffene,
kommt es letzten Endes an, das wie
ein Freiburger Münsterturm oder wie
die Kuppel der Peterskirche in Rom

JOSEPH WACKERLE-MÜNCHEN « SABINISCHE MUTTER (MAJOLIKA) ZU1T1 Himmel ragt!

AUSFÜHRUNG'. KÖNIGLICHE PORZELLAN-MANUFAKTUR NYMPHENBURG Freiburg i. B. JOS. LICHTENBERG

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