Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 18. Band.1908
Seite: 76
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_18_1908/0096
^=^> DER DEUTSCHE WERKBUND

Mittel zu diesem Zweck wurde die häufige
Veranstaltung kleiner, intimer Ausstellungen
empfohlen, die namentlich an den von künstlerischen
Zentren entfernten Orten erfolgreich
wirken würden. Die Leitung des Werkbundes
soll sich bemühen, Ortsausschüsse zu bilden,
die ihrerseits mit den führenden Persönlichkeiten
, namentlich den Bürgermeistern und
Stadthäuptern, in Verbindung treten. Mit dem
Werkbund im Rücken vertritt der Ortsausschuß
die Interessen der Allgemeinheit und
kann dort eher auf Berücksichtigung dringen,
wo es dem einzelnen nicht möglich ist.

Eine weitere Sorge des Werkbundes wird der
kunstgewerbliche Unterricht und das Lehrlingswesen
bilden. Schulrat Kerschensteiner gab
darüber sehr dankenswerte Aufschlüsse. Seit
einem Jahre wird den Lehrlingen in München
die Möglichkeit geboten, mit tüchtigen Gehilfen
und Meistern ihres Faches wöchentlich 3—4
Stunden zu verkehren und den Wert solider
guter Arbeit in gutem Material kennen zu
lernen, und so werden hier die Tauglichsten,
die sich zu weiterer künstlerischer Ausbildung
eignen, etwa zehn von hundert, systematisch
ausgewählt. Auf unseren Kunstgewerbeschulen
wird dagegen der Zeichenunterricht
zu einseitig bevorzugt. Auch hier sollte
vielmehr zur Arbeitsfreude, zur Freude an
guter Arbeit erzogen werden. Die Schule
kann aber die Lehre nicht ersetzen, daher
soll nur wer sein Handwerk beherrscht und

seine Fähigkeit bewiesen hat, sie besuchen
dürfen. Nur so kann das Mißverhältnis zwischen
den Aufwendungen für diese Schulen
und ihren Erfolgen beseitigt werden.

Aber auch hier gilt es, eine Kulturfrage zu
lösen. Das Handwerk geht zurück, weil der
tüchtige Meister seine Kinder zu etwas „Höherem
" erziehen läßt. Das müßte besser werden
. Auch die sogenannten gebildeten Kreise
werden ihre Söhne wieder dem Handwerk zuführen
, wenn die soziale Stellung des Kunsthandwerkers
wieder den gebührenden Platz
gewonnen hat.

Wie die Ortsausschüsse, so wird auch
der Zentralausschuß des Werkbundes suchen
müssen, Einfluß auf die Regierungen und Behörden
zu gewinnen. In der Vertretung des
Anspruches auf künstlerisch gute und gediegene
Arbeit betont er ja nur ein so selbstverständliches
öffentliches Interesse, daß man
dort bösen Willen voraussetzen müßte, wo
seine Hilfe zurückgewiesen würde.

Das sind nur die nächsten Aufgaben, aber
jeder Tag wird neue ans Licht bringen. Möge
die Organisation und die Finanzierung des
Deutschen Werkbundes daher umfassend und
kräftig genug sein, um zu erreichen, daß die
wirtschaftlichen und kulturellen Kräfte unseres
Volkes, die vor zehn Jahren im Kunstgewerbe
einen neuen Ausgang nahmen, sich auf freier
Bahn neu und mächtig entfalten können. Der
Anfang ist gemacht.

DER NORDDEUTSCHE LLOYD UND DIE MODERNE RAUMKUNST

Hofkunst und Mäcenatentum gelten unserm
demokratischen Zeitalter heute nicht mehr
viel. Wir entbehren sie gerne, denn sie passen
nicht mehr in unser Getriebe. Nicht Schlösser
zu bauen, die verstohlen weitab von der Menge
in sorgsam umfriedigten Parkanlagen stehen,
sondern gute Schulhäuser an der Straße zu
errichten, den architektonischen Ausdruck
eines öffentlichen Platzes zu steigern, Bahnhofhallen
, Rathausräume, das Mobiliar des
Arbeiterhauses anständig zu gestalten, das
sind die Aufgaben unserer Zeit. Unsere Kunstpflege
soll nicht darin bestehen, daß wir Mengen
von ungewöhnlichen Aufgaben schaffen, damit
die Künstler nicht müßig zu gehen brauchen,
hier einige Wände mit lehrreichen Malereien
schmücken, dort einige Denkmäler aufrichten
— sondern darin liegt der Wert eines
künstlerisch gesunden Zeitalters, daß die vorhandenen
Aufgaben, die Aufgaben des Alltags
ihre bestmögliche Lösung finden, daß sie zum
Gegenstand künstlerischer Ueberlegung gemacht
und über das Niveau der Nützlichkeit

emporgehoben werden. Hier liegt der Weg,
auf dem wir Kulturarbeit verrichten, Kunst
schaffen müssen. Und wenn erst die Nutzlosigkeit
des Kraftaufwandes evident ist, mit
dem heute unglaubliche Mengen nirgends verlangter
und nirgends unterzubringender Malerei
produziert werden, dann wird es an Arbeitskraft
und Begabung nicht mangeln, um diese
Aufgaben des Alltags, die massenhaften Aufgaben
der angewandten Kunst mit Erfolg zu
lösen.

Soll das moderne Kunstgewerbe zu einem
nationalen Segen für uns werden, dann ist es
nötig, daß es sich diese Aufgaben des praktischen
Lebens erobert. Aus den Ausstellungserfolgen
des letzten Jahrzehnts müssen endlich
dauernde Werte entstehen. An Stelle des
Scheinlebens einiger Sommermonate in irgend
einem Glaspalast muß die dauernde Wirklichkeit
treten, an Stelle der forcierten Paradearbeit
an idealer Aufgabe die ruhige Leistung
des sicheren Alltags im Dienste des praktischen
Lebens.

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