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DER NORDDEUTSCHE LLOYD UND DIE MODERNE RAUMKUNST
auswählte, sind Bruno Paul, Richard Rie-
merschmid und Josef M. Olbrich und dazu
vier bremische Architekten C. Eeg & E. Runge,
Wellermann & Frölich, Abbehusen & Blendermann
und Runge & Scotland.
Mit der einzigen Ausnahme Riemer-
schmids, dessen Offiziersmessen und Kommandanten
-Kajüte für zwei Kreuzer der deutschen
Kriegsmarine in Erinnerung sind, war keiner
von diesen Künstlern bisher im Dienste des
Schiffbaues tätig gewesen. Und doch liegen
gerade diese Aufgaben dem modernen Kunstgewerbe
außergewöhnlich glücklich; gerade
an ihnen wird man ohne viel Reflexion und
Beweisgründe die inneren und äußeren Vorzüge
herausfühlen können, die unsere Raumkunst
von jener der achtziger Jahre, wenn es
damals überhaupt eine solche gab, unterscheidet
. Es ist eine starke innere Wesensverwandtschaft
, die heute Ingenieurbau und
angewandte Kunst verbindet; weil sie von
so eng verwandten, oft von den gleichen
Voraussetzungen ausgehen, muß es ihnen
leichter sein als je zuvor, sich zu einer harmonischen
Einheit zusammenzufinden. Hier,
am Bord des neuesten Lloyddampfers, sind
diese günstigen Vorbedingungen zum ersten
Male ausgenützt, ist diese Verbindung zum
ersten Male auf eine starke Probe gestellt.
Die Luxuskabinen liegen längs der beiden
Decks des Schiffes an der Außenseite; das
Profil des Schiffsrumpfesbringt aus technischen
Gründen ein an diesen Stellen besonders deutlich
ins Auge fallendes Biegen und Wölben
der Wand- und Deckenflächen mit sich, die
nicht wie beim Hausbau rechtwinklig zusammengefügt
werden können. Diese für das
Schiff charakteristische Abweichung von der
unserm Auge geläufigen kubischen Regelmäßigkeit
des Wohnraumes kann der Bildung
von Wand und Decke, von Tür und Möbel
sehr unbequem werden, denn sie veranlaßt
eine Verschiebung aller rechtwinkligen Gefüge
der Tischlerarbeit und stört so die architektonische
Festigkeit und klare Organisation
des Raumausdrucks. Diesem Mangel haben
einige der Künstler dadurch abgeholfen, daß
sie die winkelschiefe Decke mit einer wagerechten
Verschalung verdeckten, um dadurch
den Eindruck eines lotrechten Gefüges
zu erreichen. Die architektonische Ruhe des
Raums bei Olbrich und Bruno Paul hat
dadurch gewiß gewonnen. Man versteht indessen
Riemerschmid sehr wohl, wenn ihm
die Logik des konsequenten Entwickeins aus
den Bedingungen des Schiffskörpers höher
steht, als daß er die charakteristische Form
der Schiffskabine aufgeben und dafür die
normale Wohnstube eintauschen möchte. Solange
freilich die Gliederung und Felderteilung
eines Holzgetäfels an den Wänden angewandt
wird, spricht die naive Empfindung jedenfalls
gegen Riemerschmids Logik. Mehr als in
seinen Kabinen fällt die schiefvvinkelige Fügung
der Möbel und Wandfelder in den Räumen
auf, die Wellermann und Frölich mit der
Frankfurter Firma Schneider & Hanau ausgestattet
haben. Das zierliche Louis XVI., das
die Künstler hier geradeso wie in ihrer Ausstattung
des Hotels Kaiserhof in Berlin mit
kennerhaftem feinen Geschmack und graziösen
Details angewandt haben, läßt sich diese
Verschiebungen am allerwenigsten gefallen.
Während im übrigen die Luxuswohnungen
aus Salon, Schlafzimmer und Baderaum gebildet
werden, hatte Riemerschmid den
Vorzug, vier zusammengehörende Kabinen
ausstatten zu können, die als Ganzes in Raumstimmung
und konzentriertem Ausdruck wohl
den meisten Beifall verdienen. Aus einem
Schlafzimmer in Weiß und Gold fällt der
Blick in den Salon, dem graues Ahornholz
mit entzückenden Einlagen von blutrotem
Rosenholz und weiß schimmernder Perlmutter
und rote Möbelbezüge seine vornehme Haltung
geben, und an diesen wieder schließt sich
ein in kräftigen Formen gehaltenes Herrenzimmer
mit rauchgrauer gewachster Täfelung,
Korbsesseln und dunkelgrünen Lederbezügen.
Eine jede der Farbenwahlen ist klar und
einheitlich, eine jede wird gesteigert in ihrem
Ausdruck durch den Gegensatz zum Nachbarraum
. Man denkt an die behaglichen Stübchen,
die der Künstler bei Trarbach in Berlin vor
einigen Jahren mit ähnlichen Mitteln bildete;
man denkt an die trauliche Abgeschlossenheit
eines getäfelten Turmgemaches in irgend
einem Tiroler Schloß, ohne daß äußerliche
Einzelformen dieses Herrenzimmers irgendwo
entliehen wären. Es liegt eine persönliche
Romantik in der Stimmung dieses kleinen
Zimmers, die kein anderer unter den Mitarbeitern
an den Luxuskabinen wieder erreicht
hat. Die aus gekreuzten Profilstäben gebildete
Kassettendecke mag für den niedrigen
Raum etwas schwer wirken, die Säulchennischen
an den geschickt angewandten, in
allen vier Ecken des Raumes wiederkehrenden
Schränkchen könnten wohl fehlen, aber die
Raumgestaltung als Ganzes ist unübertroffen,
von altmeisterlicher Sicherheit. Daneben bildet
in Material und Finesse der graue Salon eine
Steigerung zu zarter Vornehmheit. Der Schmuck
wiederkehrender Intarsienflecken ist von zurückhaltender
Tonfeinheit; das reichste Ornament
tragen die ausgezeichnet gegliederten
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