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DER NORDDEUTSCHE LLOYD UND DIE MODERNE RAUMKUNST
Türen und die Platte des Tisches. Von seinen
früheren Versteifungs- und Strebekurven hat
der Künstler hier nur noch bei dem Fuß
dieses Tisches Gebrauch gemacht.
Ohne alle Romantik, fast ohne Stimmung,
aber von klarer Sicherheit, von nüchterner
Sachlichkeit sind mit Riemerschmid verglichen
die Arbeiten Bruno Pauls. Alles wirkt so
ungewollt sachlich, amerikanisch praktisch als
möglich. Vernickelte Metallbettstellen, durchaus
anspruchslose, kleinmustrige Möbelstoffe
und Teppiche, Möbel, die mit untergeordneten
Streifen von geometrischen Einlagen und im
übrigen nur mit der Schönheit des ausgesuchten
Holzfurniers geschmückt erscheinen, leicht gebauchte
, ab und zu an Empireformen erinnernde
Kastenformen der Möbel — es ist,
als ob die vielen, zur Ausnützung des engen
Raumes gebotenen Klappvorrichtungen und
Kombinationen, der knappe mechanische Möbelwitz
der Amerikaner den Geist des ganzen
Raumes eingegeben habe. Ein besonders stattliches
Werk dieser Erfindungsgabe Pauls ist
der große Toilettetisch in der Nische des Salons
, ein Verwandlungsmöbel von raffinierter
Brauchbarkeit in der Enge der Schiffskabine.
Ohne die Romantik Riemerschmids, aber
durch persönliche starke Stimmung Bruno
Paul überlegen, ist das, was Olbrich in
seiner weißen Schlafkabine und dem anstos-
senden Salon geleistet hat. Elegante Lebensgewohnheiten
, Raffinement, vornehmer Luxus
ohne Absichtlichkeit und aufdringliches Zuvieltun
. Olbrichs Salon ist der vornehmste
unter den Räumen, von denen hier die Rede
ist. Täfelung besitzt er nur in der Nische,
in die das graziös erfundene Toilettemöbel
und nebenan der Schreibtisch eingebaut sind;
ein prächtig sattes, tabakbraunes Nußbaumholz
in kleinfelderiger Teilung bekleidet Wand
und Decke dieser Nische. Die übrigen Wände
und die beiden Polsterbänke überzieht in
gleicher Weise eine Lederbespannung von bescheidener
, gepunzter Ornamentik, die als
Farbenstimmung ein feines Spiel von matten
Silber- und Bronzetönen zum Grundton des
Raumes macht. Von koketter Zierlichkeit sind
die kleinen Möbelmechanismen, elfenbeinweiß
mit Goldleistchen. Die Decke gibt sich flach und
brettern als selbstverständliche Fortsetzung
der Raumteilung, und in ihr sitzen flach eingelassen
im Gegensatz zu Riemerschmids bedrohlich
herabhängenden Leuchtbirnen die
viereckigen Lichtkörper klar eingefügt. Olbrichs
Schlafraum, heiter und aufgeräumt,
ist weiß gestimmt. Schmale Täfelungsbretter
bilden die schlichte Wand und werden an den
Fugen von bemalten Leisten bedeckt, in denen
Blau, Grün und Silber bunte Ketten von
Pinselflecken ergeben; die gleichen Farben
wiederholen sich in der geometrisch angeordneten
, prunkvollen Stickerei der Bettdecken.
Es war Riemerschmids wie Olbrichs Hauptkunst
, die Enge der Kabinen dem Auge dadurch
zu verbergen, daß sie sich große ununterbrochene
Wandflächen schufen und für
die Gliederung den Maßstab klein wählten.
Von den bremischen Architekten, die an
den Luxuskabinen mitgearbeitet haben, kann
man sagen, daß sie sich neben den führenden
Künstlern tapfer halten. Namentlich was
Carl Eeg und E. Runge in der vorsichtigen,
zurückhaltenden Delikatesse ihres hellgrauen
Salons mit Perlmuttereinlagen geleistet haben,
verdient volle Anerkennung; auch die originelle
Bildung der Schlafzimmerwand mit ihrer
weiß gestrichenen Täfelung ist gut erfunden.
Einige feine belebende Farben geben die Stickereien
von Fräulein E. Hormann an Vorhängen
und Bettdecken. Kostbare Intarsien, denen
man das Vorbild PANKOKscher Ornamentik
anmerkt, haben Abbehusen & Blendermann
in die Felder ihrer goldgelben Holztäfelung
eingefügt, die von schwarzen Leisten gehalten,
die Wände gliedert und in der Decke ihre
schönen Materialfarben und Motive wiederholt;
doch ist es ihnen weniger als anderen gelungen
, das an sich reizvolle Mobiliar in die
Wand einzufügen. Statt organischer Bestandteile
sind sie umhergestellte Fremdlinge, die
sich auch in der Farbe zu wenig in die einmal
angeschlagene Stimmung des Raumes
unterordnen. Eine heitere Landhausstim -
mung ohne Prätension lebt endlich in den
Kabinen, die Runge & Scotland entworfen
und ausgeführt haben. Malerische Kleineffekte
gibt es bei ihnen allerdings mehr als ausdrucksvolle
Raumkunst. Indessen hält sich
alles in allem der Anteil der Bremer auf
einer sehr ansehnlichen Höhe besonnenen,
modernen Formengefühls, und das mag ihnen
hier ein um so wertvolleres Lob sein, wo sie
im Wettbewerb mit den erfahrensten Führern
der Innenarchitektur zu arbeiten hatten.
Der Norddeutsche Lloyd ist ein mächtiger
Auftraggeber. Wenn seine Leiter so, wie der
schöne Erfolg der „Kronprinzessin Cecilie" uns
hoffen läßt, sich auch künftig der Bedeutung
ihrer Aufträge voll bewußt sind, dann wird
er dem jungen deutschen Kunstgewerbe ein
glänzender Mäcen sein können. Seine Schiffe
werden die Werke unsrer ersten künstlerischen
und technischen Kräfte übers Meer tragen
und der deutschen Kunst auch außerhalb
der Grenzen des Reiches Anerkennung verschaffen
. Dr. Karl Schaefer
Dekoratire Kunst. XI. 2. November 1907.
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