http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_18_1908/0114
^=^> ARBEITEN VON EMIL LETTRE
silberne getriebene dosen « stockgriff aus brüniertem silber « handspiegel mit email u. lapislazuli
NEUE BUCHER
Karl Voll, »Vergleichende Gemäldestu
dien«. 202 Seiten. Mit fünfzig Bildertafeln. Mün
chen 1907, Verlag: Georg
Müller. In Leinen gebunden
M. 9.—.
Die »Vergleichenden Gemäldestudien
« sind entstanden
als ein Produkt der Lehrtätigkeit
, die Dr. Voll als Professor
der Kunstgeschichte
an der Münchener Universität
in den seminaristischen
Uebungen entfaltet. So entstammen
sie dem praktischen
Leben, und dem praktischen
Leben sollen sie auch
dienen. Und weil sie dazu
vortrefflich geeignet erscheinen
, deshalb wollen wir nachdrücklich
auf dieses Buch
hinweisen. Wir haben hier
nicht die kunstgeschichtlichen
Fragen zu beurteilen,
die der Verfasser angeschnitten
hat. Er sagt ganz mit
Recht, daß man mancherlei
positiv wissen muß, um
ein Kunstwerk richtig zu beurteilen
, gleichviel ob es aus
alter oder neuer Zeit stammt.
Aber neben dieser historischen
Art des Genusses, zu
der man nur durch fleißige
Arbeit und zeitraubendes Studium
gelangt, steht jener unmittelbare
, naive Kunstgenuß
, der jedem gegeben ist,
der nur einmal hat »sehenc
lernen. >Es gibt eine Menge
von Dingen, die jeder, der
nicht blind ist, sehen kann
und immer wieder sehen
wird, wenn sie ihm einmal
gezeigt worden sind.< Der
Verfasser wünscht mit seiner
Schrift die Leser dazu anzuregen
, das, was sie sehen,
auch mit Verstand zu sehen,
statt ein Kunstwerk gedankenlos
anzublicken. Ueber
die wichtige Frage, welche
Rolle der Verstand gegenüber
dem Gefühl beim Kunstgenuß
spielt, finden sich in
der Einleitung lehrreiche Anmerkungen. Er ist ein
unentbehrlicher Faktor zur Kontrolle unseres Gefühls
,das gegenüber derMan-
nigfaltigkeit der Erscheinungen
unsicher und schwach
ist, sobald keine Vergleichspunkte
gegeben sind. Solche
selbständig zu finden, bedarf
das Laienpublikum einer gewissen
Anleitung. Voll hat
nun zu diesem Zweck eine
Anzahl Bilder von äußerlich
ähnlicher, aber innerlich verschiedener
Behandlung gleicher
Sujets zusammengestellt
und je zwei in kürzeren
Aufsätzen miteinander verglichen
. Dabei kamen ihm
seine Erfahrungen aus dem
Seminar naturgemäß außerordentlich
zu statten, und er
denkt sich den Gebrauch des
Buches in ähnlicher Weise
wie den Unterricht im Seminar
. Die dem Bande beigegebenen
Abbildungen sind
nach Beispielen aus allen
Zeiten vom Mittelalter bis
zum Rokoko ausgewählt, so
daß sie alle historischen Stile
der Malerei illustrieren. Der
Leser mag sie sich vorlegen
gerade wie der Student im
Seminar, die Gelegenheit benutzen
, das Auge zu üben
und selbständig durch Vergleich
die Unterschiede herausfinden
. Das geschriebene
Wort, das hier den lebendigen
Vortrag ersetzen muß,
wird nachher als wertvolle
Ergänzung willkommen sein.
So genutzt wird das Buch
manchem dankenswerte Anregungen
bringen. Wir wünschen
ihm eine weite Verbreitung
und hoffen mit dem
Verfasser, daß die Lehrer,
für deren Zwecke es insbesondere
geschrieben ist, ihm
beim kunstgeschichtlichen
Unterricht in den Schulen
ihre Aufmerksamkeit zuwenden
mögen. w. c. b.
94
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_18_1908/0114