Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 18. Band.1908
Seite: 99
(PDF, 145 MB)
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ERNST KREIDOLF-MUNCHEN

VORSATZPAPIER ZU „DIE WIESENZWERGE"

(VERLAG VON HERMANN & FRIEDRICH SCHAFFSTEIN, KÖLN)

halb auP den Beschauer so tief, so ernst und
so nachhaltig mit seinem Werke wirkt. Auf
solcher Grundlage konnte sich bei den Schweizern
nicht minder als wie bei jenen Alten
das Gebäude ihrer Träume und ihrer Phantasie
durchaus sicher aufrichten lassen. Dies ist
wohl zu beachten bei der Würdigung Krei-
DOLFscher Werke, obwohl sie zum großen
Teil als bloß realistisch behandelte und fast
am Modell abgeschriebene Kunst — auf den
ersten Blick betrachtet werden könnten.

Es ist von selbst verständlich, daß ein genaues
Studium des Objekts zum Zeichnen
zwingt; der feine Stift kann untadelig nachbilden
, was der breite Pinsel voll Farbe
nur sehr bedingt wiederzugeben vermag, beispielsweise
ein Heuschreckenbein, oder einen
Löwenzahnsamen oder einen geäderten Bienenflügel
. Das Zeichnen führt aber zu viel
intensiverer Beobachtung als das Malen, das
durch die rasche Wirkung der Farbe zu
schnell den Künstler zufriedenstellt, wo nicht
entzückt. Bei solcher Genauigkeit und Gewissenhaftigkeit
des Naturstudiums an allen
Objekten, ob groß oder klein, muß sich schließlich
dem Künstler jede Form, sei sie nun
anatomisch oder mimisch und phrenologisch,
so tief einprägen, daß sie ihm für jeden besonderen
Fall sicher zur Verfügung steht.

Und dies ist bei Kreidolf in ganz besonderem
Maße der Fall. Man kann sagen, so wenig
wie man in einem seiner Wesen eine geringste
Neigung zur Karikatur findet, so wenig
wird man eine Verzeichnung an ihnen entdecken
(wohlbemerkt: eine Verzeichnung aus
Unkenntnis der Form!). Diese Erscheinung
mag dazu beitragen, seinen Zeichnungen jene
Nüchternheit absehen zu lassen, die man gemeinhin
als Charakterzeichen der Schweizer
anspricht. Demgegenüber haben wir aber die
unbedingte Verläßlichkeit in der Darstellung
jeder Form: der Gang und die Gebärde seiner
Kinder, ihre Kleider, ja der Schnitt ihrer
Kleider, die Bewegung seiner Tänzer, seiner
Kämpfer, seiner Reiter, seiner Tiere, seiner
Insekten; die ganze Mimik seiner Bauern und
seiner personifizierten Blumen — alle sind
sie von solcher Sicherheit und Wahrheit, daß
kein kritischer Zweifel dawider aufkommen
dürfte und wir alles hinnehmen, wie wir es
finden, genau so, wie es der Künstler auch
von der Natur hingenommen hat. Gleichwohl
bleibt die Form, welche immer es sei,
nicht pedantisch oder unbeholfen; jede Linie
hat starkes, inneres Leben und ist so durchgefühlt
, daß man sicher erkennt, sie leiste
anatomisch oder physikalisch das, was das
nachgebildete Objekt verspricht.

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