Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 18. Band.1908
Seite: 115
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-sr4^> CARL MELVILLE

CARL MELVILLE-CASSEL ENTWURF ZU EINEM VIRCHOW-DENKMAL

CARL MELVILLE

Vom Frühlingssturm der nach langen Zeiten
des Beharrens sich wieder einmal verjüngenden
Kunst ist auch die moderne Plastik
in ihres Wesens Tiefe durchbraust, erschüttert
und gewandelt worden, so daß wir hoffen
dürfen, von nun an die abgesondertste aller
Künste in engerer Beziehung mit dem Leben
und dem gesamten Kunstschaffen der Gegenwart
zu rinden. Dieser Sehnsucht nach einer
lebenweckenden und lebenfördernden Plastik
wird um so eher Erfüllung werden, je mehr
die Künstler dieses Gebietes ihr schöpferisches
Können der monumentalen architektonischen
Plastik zuwenden, je mehr sie mit den Werken
der Kleinkunst einer neuzeitlichenZweckkunst,
der vornehmen, unsere Lebensführung erhöhenden
Raumkunst, ihr Wirken widmen.

Der Werdegang so manches jungen Plastikers
hat es gezeigt, wie er aus dem Schaffen
für die schmückende Kunst des schlichten
Raumes und des stillen Alltags herausgewachsen
ist zur monumentalen Kunst des
öffentlichen Lebens und zum architektonischen
Gestalter erhabener Bauten für feierliche und
festliche Stunden. Die beständige innige Berührung
, die enge Fühlung mit dem Leben
hat Künstler mit hervorragendem Formgefühl
und idealem Empfinden für das tektonische
Wesen der Plastik in wenigen Jahren zu einer
stolzen Höhe des Könnens emporgehoben und
ihnen einen treuen Verehrerkreis geworben,
der ihre Werke nach ihrem inneren, unvergänglichen
Werte zu wägen, zu schätzen und
zu lieben weiß. Aus dieser tiefen Liebe wächst
nun allmählich eine Sehnsucht nach dem Anschauen
, dem inneren und äußeren Besitze
jener feinen Schöpfungen der modernen Plastiker
, die unbezwinglich ist und uns wieder
in innigste Beziehung zur Kunst bringen kann,

indem sie jene zarten, unsichtbaren Fäden
zwischen dem Künstler und dem Volke spinnt,
die unzerreißbar sind, und an denen der
Künstler uns zu den sonnigen Höhen seines
Schaffens begeisternd und beglückend emporzuführen
vermag, wie in jenen gewaltigen und
stolzen Zeiten des Wiedererwachens der Kunst
beim Niedergang des späten Mittelalters.

Die Erfüllung dieser Hoffnung wird uns,
die Lebenden, zwar nicht mehr beglücken,
doch froh begeistern; unsern Enkeln aber
wird sie ein hehres Vermächtnis des Kampfes
um die Kunst unserer Tage werden.

Jenen vornehmen plastischen Künstlern der
Gegenwart, die uns wohlbekannt sind, und
deren feine Schöpfungen hier schon oft wiedergegeben
wurden, schließt sich der junge in
Kassel lebende, aus den Ostseeprovinzen
stammende Balte CarlMelville an, ein Bildhauer
, dessen eigenartige, hier zum Teil im
Bilde vorgeführten Werke von seines Wesens
Art und seinem Können zeugen.

Melvilles Familie entstammt einem alten
schottischen Geschlechte, das vor Zeiten in
die Ostseeprovinzen auswanderte und dort
die mannigfachen politischen, wirtschaftlichen
und sozialen Wandlungen und Wallungen miterlebte
, die jene Gegenden oft so schwer
heimgesucht haben. Dem Grundcharakter der
Schotten, der tiefwurzelnden, unwandelbaren
Ehrlichkeit der Gesinnung und des Handelns,
verdankt die Kunst Melvilles einen ihrer
hervorragendsten Wesenszüge. Diese grundehrliche
Gesinnung, die es dem Künstler verbietet
, nach irgendeiner Richtung hin künstlerische
Zugeständnisse zu machen, kommt
in allen seinen Werken, gepaart mit einer
seltenen Vornehmheit der Auffassung, zum
klarsten und stärksten Ausdruck. Schon aus

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