Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 18. Band.1908
Seite: 146
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_18_1908/0168
-b-^> RUDOLF ALEXANDER SCHRÖDER

Was Rudolf Alexander Schröder als
Innenarchitekt gibt, steht so gut wie
allein in der heutigen dekorativen Kunst. Es
geht über die proklamierten Ideale unsrer
Tage: höchste Sachlichkeit und fühlbarsten
Komfort, noch einen Schritt hinaus und huldigt
den Idealen sinnlicher Schönheit als Selbstzweck
. Und sinnliche Schönheit in dieser
Bedeutung heißt: Raumschönheit.

Man kann die Zimmer und Gemächer, die
er gebaut hat, ausräumen, und sie sind immer
noch wohltuend in ihrer Wirkung. Ihr Wesentlichstes
beruht auf einem sehr gut erzogenen
Proportionsgefühl, auf einem tätigen Sinn dafür
, wie sich Breite und Höhe und Tiefe eines
Zimmers bei einem gegebenen Zweck — einem
Musiksaal, einem Arbeitszimmer, einer Empfangshalle
- - am besten zueinander verhalten.
Und zu diesem Sinn für Verhältnisse im allgemeinen
tritt dann noch ein fein entwickeltes
Massengefühl, das bei der Verteilung der
Möbel und Dekorationsstücke als plastischer
Werte stets das Gleichgewicht für die Augen
hält und noch in der Wahl der Farben dem
Charakter dieser Gleichgewichtswirkung nachgibt
. Man kann das nicht lernen: „Die Schönheit
der Massen muß aus einem glücklichen
geheimen Gefühl hervorkommen, das sich
an der Harmonie der Teile des Menschen,
des Großen in der Natur und überhaupt alles
Lebendigen geläutert hat." Wer aber, wie
Schröder, diesen geläuterten Instinkt besitzt,
der hat auch die Fähigkeit, Räume zu schaffen,
in denen der Mensch, die Gestalt und das
Gefühl des Menschen dominiert. Alles bezieht
sich auf ihn, alles dient ihm, alles, nicht
nur der Sessel, auf dem er sich niederläßt,
sondern die Wände mit ihren Gliederungen,
die ihn umgeben, und die Leere zwischen
ihnen. Daher ist es ein fast körperliches
Wohlbehagen, was einen erfüllt, wenn man
diese Räume betritt und sich in ihnen aufhält.

Man hat gesagt, für uns heute seien nur
niedrige Räume wohnlich. Das ist ein Irrtum.
Tatsache ist nur, daß bei sehr vielen Innenarchitekten
die Phantasie in einer Höhe von
etwa dreieinhalb Metern plötzlich versagt und
versagen muß, weil die Behaglichkeit, die
Gemütlichkeit überall herrschen soll; und
diese ist natürlich in Stuben mit niedrigen
Abmessungen, wo alles breit und hingelagert
erscheint, am leichtesten zu erzielen. Schröder
liebt hohe Räume, wenn ihm der Platz zur
Verfügung steht, und ein Musikzimmer von
ihm, ein Speisezimmer hat bei dieser Höhe
etwas Wohliges, etwas ruhig Festliches, das
allerdings nicht gemütlich, aber behaglich im
höchsten Sinne sein kann. Die Höhe an sich

macht einen Raum noch nicht unwohnlich,
sondern nur Schiefheit in den Verhältnissen:
zu große Höhe bei kleiner Grundfläche.
Dem Charakter der ruhigen Festlichkeit dient
sein Kolorismus, und das Festliche, ruhig
Prächtige spricht sich hier nicht in stark gegeneinander
gesetzten Tönen aus, sondern beruht
auf einer Kombination von Nuancen. Hellblau,
Dunkelblau und Weiß - - Goldgelb und Gelbgrün
, Grauund Weiß—Orange und Rosaviolett,
dergleichen Harmonien, in denen möglichst
keine Komplementärfarben vorkommen, die
liebt diese Kunst, ohne dabei jemals in mädchenhafte
Weichheit von lauter gebrochenen
Tönen zu verfallen. Der Umfang der Farbenskala
ist nicht sehr ausgedehnt, aber die Ausdruckskraft
der Nuancen ist bedeutend. Kraft
und Feinheit sind hier ineinandergefügt.

Diese Art, Räume zu gestalten, ist von
Hause aus nicht deutsch. Wir haben ursprünglich
nicht den Sinn für die schöne Leere,
die still wirkt, indem sie der Erscheinung der
menschlichen Gestalt dient, sondern uns liegt
es näher, daß unsere Phantasie sich an den
Dingen, die um uns herum sind, erst entzündet
, an einem schönen Ornament oder
Motiv, an einem individuell gestalteten Detail.
Das andre, das, was Schröder gibt, ist südlicher
Art, italienische Weise, der Gefühlston
der Renaissance. Man stellt sich gerne vor,
wie dieser Künstler in einem der heute verlassenen
Paläste von Ferrara, in einem halbleeren
Raum, in dem nur ein Kamin, eine
Truhe und ein paar Sessel stehen, Schönheit
empfunden hat, oder in Padua, in der wundervollen
bischöflichen Kapelle, die Jacopo da
Montagnana schmückte. Und vielleicht schwebt
diesem Streben als Ideal die Raumwirkung
der Laurenziana vor, wenn man sich deren
übermächtige Strenge und Großheit überhaupt
in die nordischen Nebelländer versetzt denken
mag. Was er schafft, ist keine Nachahmung
der Renaissance, kein antiquarisches und
atelierhaftes Stimmungsmachen, sondern ein
inniges Verstehen ihrer wesentlichen Qualitäten
und ein Streben nach ähnlich qualitätvollen
Wirkungen, aufgebaut auf den Bedürfnissen
unserer Zeit.

Es ist fast selbstverständlich, daß eine Kunst,
die so sehr auf Tradition und Kultur beruht,
nicht traditionslos in ihrer Formensprache ist,
sondern Anlehnungen an die Errungenschaften
alter Kulturen aufweist. Die Einzelform ist
oft dem Besitz klassischer Zeiten entnommen,
unter gelegentlichem Hinneigen nach einer
bestimmten Richtung im Barock, einer Richtung
, die das Volle, Prächtige in so feiner
Weise mit dem Strengen, Gebundenen ver-

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