Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 18. Band.1908
Seite: 147
(PDF, 145 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_18_1908/0169
^sö> RUDOLF ALEXANDER SCHRÖDER <^^~

einigt. Oefter sind die Details auch frei erfunden
, phantasievoll und leicht im Sinne der
dominierenden Raumwirkung. Doch das Ornament
, die Einzelform ist ja nie die Hauptsache
, sondern das wirklich Dekorative beruht
auf ganz anderen Dingen, vor allem auf rhythmischen
Faktoren. Der Wechsel von ruhigen
und belebten Flächen, die Gliederung einer
Wand oder eines Fußbodens, die Führung
eines Ornamentfrieses, gleichviel ob das Motiv
dieses Ornamentes alt oder neu ist — das sind
die Dinge, auf die es in diesem Zusammenhange
ankommt. Der Rhythmus, der diese
Räume beherrscht, ist parallel dem Aufbau
der Massen, ja er geht aus ihm hervor und
ist nicht von ihm zu trennen, da er auf demselben
menschlich organischen Gefühl beruht,
wie dieser. Er ist meist ruhig, wohl reich,
aber gemessen. Große weite Flächen kommen
zu einer seltsam ausdrucksvollen Wirkung,
und die Gliederungen sind klar und bestimmt,
schon allein die Verdoppelung eines Pilasters
etwa ist manchmal sehr belebend. Die Grundstimmung
wird oft durch reizvolle Zutat belebt
, leicht gespannte gemalte Girlanden, frei
erfundene Blumen und Fruchtstücke, vom
Künstler selbst gemalt, flaches Schnitzwerk
von bewegten Akanthusranken am Gesims,
und leicht skulpierte Früchte- oder Blumenfriese
am Marmor des Kamins. Das alles
aber mäßig verwendet und mit leichten Händen
verteilt, nur eben als Schmuck wirkend. Das
Geschmückte selber bleibt die Hauptsache,
das Spiel von Fläche und Linie, von Leere
und Fülle.

Die Leere ist besonders zu betonen als
wohltuende und reine Wirkung. Wohl kein
Künstler ist so wenig wie Schröder befallen
vom horror vacui, von der nervösen Angst, die
unsere Zeit vor der schönen kahlen Fläche
hat, vor dem ruhigen Ausbreiten und Sichsenken
des Gefühls.

Soviel mag genügen über das Allgemeine
und über das Irrationale, von dem keine Abbildung
, auch die beste nicht, eine sinnfällige
Vorstellung geben kann. Ueber die Einzeldinge
berichten die Aufnahmen besser als
das Wort. Nur ist zu sagen, daß die eingangs
erwähnten Forderungen unserer Zeit, Sachlichkeit
und Komfort, erfüllt werden. Die
Schönheit stört sie nicht. Das Schnitzwerk
an einem Stuhl ist da angebracht, wo man
es beim Gebrauch nicht spürt, und im übrigen
sind diese Stühle für die Bequemlichkeit
des sitzenden Körpers gebaut und haben
ihre Gestalt nach vielen Erfahrungen und
langem Ausprobieren erhalten. Die Kredenzen
in dem einen Eßzimmer haben eine ausgebuchtete
Vorderfläche — das macht sie an
sich gefälliger, ist auch praktisch, weil Platz
gewonnen wird — ganz abgesehen davon, daß
diese eben angerundete Form das Oval des
ganzen Zimmers von ferne wiederholt und
mit Bezug auf den ganzen Raum erdacht ist.

Und ebensosehr, wie auf die Brauchbarkeit
und den Komfort der von ihm entworfenen
Dinge, achtet Schröder auf ihre handwerkliche
und technische Qualität. Ein gewisses
Reinlichkeitsbedürfnis gebietet das und der
Sinn, von allem das beste, das am feinsten
Ersonnene zu verwenden. Nirgends sah ich
zum Beispiel so vortreffliche Handgriffe an
Schiebetüren wie bei ihm, Geräte, die sich
dem Griff einer schiebenden Hand wirklich
angenehm einfügen. Man darf dergleichen
Dinge heute nicht zu gering anschlagen. So
selbstverständlich, wie sie es sein sollten,
sind sie wohl nur in Japan.

Rudolf Alexander Schröder ist Hanseat,
Bremer. Nach Bremen paßt seine Kunst, die
so, wie sie ist, wenig Aussicht hat, schnell
populär zu werden, vielleicht noch am besten.
Unter diesen Hanseaten, denen man reservierte
Empfindungen und steifes Benehmen nachsagt,
finden sich immer Leute, die dies Eigenartige
zu schätzen wissen, diese etwas kühle Schönheit
im Verein mit einer trockenen, freundlichen
Eleganz. Leute, denen Vorliebe für
klassische Kammermusik eigen ist, und deren
Stil in der Geselligkeit sich den Formen der
englischen Vornehmheit unbewußt allmählich
angenähert hat. Innerhalb einer solchen Kultur
ist es gleichsam eine Taktfrage, daß die Dinge
des Gebrauchs eine reservierte Neutralität
einhalten und nicht allzu individuell agieren.

Als vor einiger Zeit auf einem neuen Lloyddampfer
eine Konkurrenz stattfand zwischen
alter und neuer Einrichtungskunst, als die
alte Richtung einen großen Speisesaal in Renaissance
geliefert hatte und die neue eine
Anzahl von Luxus-Kabinen, war man vor
allen Dingen des Lobes voll über diese entzückend
gut gelösten Wohnräume und das
mit Recht. Aber man vergaß dabei doch etwas,
daß auch die Aufgabe für die neuen Einrichtungskünstler
besonders glücklich gestellt war.
Niedrige Räume einrichten und mit Geräten
ausstatten, die vor allen Dingen praktisch,
raffiniert und bequem sein sollten, das liegt
unserer Zeit, weil es ein dringendes Bedürfnis
unserer Zeit ist. Und viele meinen, was
brauchbar, einfach und gediegen sei, sei damit
auch schon schön. Das ist aber nur ein
bedingtes Lob — das Gute würde dann nur
in der Abwesenheit des Schlechten erblickt.
Das erscheint mir etwas sophistisch gedacht,

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