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-57-4^> DAS LANDHAUS FRIESE IN BREMEN <§2^
eingefaßt ist, und auf diesem
absteigenden Gelände wurde regelmäßig
der Garten angelegt,
mit der Aussicht über den Fluß
hinüber. Diese Formation des
Erdbodens zwang wie von selbst
zu einer Terrassenbehandlung,
die als solche dem wilden Landschaftsgarten
'im Wege stand und
in einzelnen Fällen ist hier etwas
geleistet worden, was unseren
heutigen Idealen nahekommt —,
der „formale" Garten, der von
der jedesmaligen Terrainbeschaffenheit
ausgeht und sich den
Architekturformen annähert. Derartige
Gesichtspunkte kannte man
an den Gärten der Stadt und der
Vororte nicht, und auf diesem
Nebengebiet ist die Kultur des
Landgutes fruchtbringend gewesen
.
Eine zweite Möglichkeit, sich
auf dem Lande anzusiedeln, bot
dem Bremer das niedersächsische
Bauernhaus. Im Besitz
vieler Familien befinden sich heute
noch Bauernhöfe, die, vor 100
Jahren von den Vorfahren im
Sinn der „Rückkehr zur Natur"
gekauft, allsommerlich von den
verschiedenen Generationen benutzt
wurden — in der Heide, am
Rande des Moores, am Fluß oder
im Schatten alter Eichengehölze,
und hier hat sich nach und nach
ein halb ländlicher Stil der Lebensgewohnheiten
herausgebildet.
Auch im Wohnhausbau: wenn
die alten strohgedeckten Bauernhäuser
erneuert werden mußten,
errichtete man den Neubau ganz
im niedersächsischen Sinne, mit
der üblichen Grundrißanordnung,
der riesigen Diele, dem Flett und
allem Zubehör. Und diese Gepflogenheit
hat die Vorstellungen
vom Landhausbau dann bis heute
stark beeinflußt.
Die beiden hier kurz geschilderten
Typen konnten aber in
baulicher Hinsicht kein nutzbringendes
Erbe für unsere Zeit
hinterlassen, so sehr man auch
versucht hat, auf dieser Tradition
weiterzukommen. Unsere Anschauung
vom Landleben ist anders
geworden als die selbst
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GRUNDRISZU.GARTENPLAN
unserer Väter. Es ist für uns
kein Luxus mehr, auch keine
halb ethische Rückkehr zur Natur;
wir sind keine Bauern und wollen
keine sein, und wenn wir
uns heute ein Landhaus bauen,
so ist das nicht nur für ein paar
schöne Sommermonate, sondern
ein Gebrauchshaus für das ganze
Jahr. Das Wohnen auf dem Lande
ist für uns Hygiene geworden,
wir wollen der Nervenermattung,
die uns oder der kommenden Generation
droht, einen Widerstand
in den Weg legen. Andere Gründe
hat die Stadtflucht hier nicht,
nicht etwa wie anderswo, die
Misere der Mietswohnung; denn
Etagenhäuser gab es in Bremen
vor fünf Jahren noch nicht. Niemand
ist so sehr an das Einfamilienhaus
gewöhnt wie der
Bremer, und das eigene Heim,
das er im Landhaus findet, ist
ihm nichts Neues.
Diese Bedingungen werden dem
modernen Landhaus ihren Stempel
aufdrücken. Es soll hygienischen
und praktischen Bedürfnissen
dienen. Gute Luft vor
allen Dingen. Aber die Lage soll
doch nicht allzufern von der
Stadt sein. Diese Forderung
schließt dann weiter die Platzverschwendung
aus, da die Baustellen
an der Peripherie der Stadt
schon teuer sind, — die Diele
des niedersächsischen Bauernhauses
verbietet sich ebenso von
selbst, wie die durch zwei Stockwerke
gehende Halle des englischen
Landhauses. Diese hat ja,
wenn Platz zur Verfügung steht,
große Vorzüge. Aber mit dem
Bau des Bürgers, mit dem wir
es zu tun haben, verträgt sie
sich nicht.
Das Landhaus Friese, das die
Architekten RuNGEundScoTLAND
errichten, ist ein Beispiel dafür,
was in Bremen nottut. Es ist
als Wohnung eines Städters gedacht
, also nicht für einen reinen
Landaufenthalt. So vereinigt es
die Bedürfnisse der Stadt mit
den Annehmlichkeiten des Wohnens
im Freien. Es liegt etwa
dreiviertel Stunden Weges vom
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