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^=4rö> DIE PFULLINGER HALLEN
DIE BÜHNE IM KONZERTSAAL
Reich belebt erscheint dieser Hauptteil der
Fassade, der doch jedes äußerlich angesetzten
Schmuckes entbehrt, durch die Gliederung
und Kontrastierung der Flächen, den Gegensatz
der hellen, in Haustein und Verputz gehaltenen
Mauern zu den geneigten Ziegeldächern
und die originelle, abwechslungsreiche
Anordnung der Fenster: über den
kleinen fast quadratischen Fenstern des Untergeschosses
, acht an der Zahl, die siebenBogen-
fenster der Vorhalle, dann, über deren Dach,
die fünf großen Oberlichtfenster des Konzertsaales
und darüber im Giebel noch ein dreigeteiltes
Fenster. So ist keine einzige Achse
durch alle Stockwerke durchgeführt, und doch
wirkt das Ganze durch aus ruh ig und geschlossen.
Wohl abgewogen ist auch der Gegensatz
zwischen den reichen Dachgliederungen dieses
Fassadenteils und dem in einer langen Geraden
gedehnten, nach der einen Seitenfront
abgewalmten Dach über dem Turnsaal. Ueber-
haupt aber tragen die Dachausbildungen sehr
viel dazu bei, die bei aller praktischen Einfachheit
doch reiche Gliederung des Baues
MALER: EDUARD PFENNIG
zugleich nach außen klar zu machen und
malerisch zu gestalten, vor allem aber auch
den Zusammenklang zwischen dem architektonischen
Gebilde und der umgebenden Landschaft
herzustellen. Die charakteristischen
Formen der in das Tal hereinschauenden Albberge
, ihre langgedehnten, geradlinigen Firste,
ihre breit sich niedersenkenden Abdachungen
scheinen sich an dem Bauwerk in den Umrissen
und in den Flächen des Daches leise
zu wiederholen ein Eindruck, den freilich
Abbildungen nicht vermitteln können. Der
Gewinn dieses Einklangs zwischen Natur und
Menschenwerk ist nicht zu teuer erkauft durch
den Vorwurf des „Archaisierens", den ja wohl
einmal wieder die imposante Durchbildung
des Daches dem Architekten bei oberflächlichen
Kritikern eintragen wird. In welchem
Stil denn er eigentlich archaisiert habe, das
ist ja leicht zu beantworten: natürlich im
romanischen, denn einige Fenster und Türen
des Hauses zeigen ja Rundbogenschluß ! Der
Unsinn ist zwar derselbe, wie wenn man
einen Komponisten einen Bach-Nachahmer
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