Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 18. Band.1908
Seite: 256
(PDF, 145 MB)
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WOHNHAUS SCHUSTER IN MARKNEU KIRCH EN EINGANG VON DER STRASZE

wenn man bei dauerhaften Gebäuden von vielen
Zwecken nur den nächsten aussprechen will?

Am dauerhaftesten bleibt bei den Gebäuden
immer noch ihre äußere Gestalt, ihr Gesicht.
Wir haben eben gezeigt, daß diese äußere
Erscheinung nicht nach der inneren Bestimmung
sehr individuell sein darf, weil das,
was heute ein charakteristisches Gesicht wäre,
in kurzer Zeit zur Maske würde. Die Wohnhäuser
gleichen darin den Soldaten, die ihr
besonderes Innenleben auch nicht durch ihre
Kleidung ausdrücken dürfen, sondern sich nur
nach Zweck-Gattungen und Rang unterscheiden
. Ein einzelner Soldat kann trotzdem in günstiger
Umgebung sehr individuell erscheinen,
aber unter seinen gleichgestellten Kameraden
wird er zur Nummer und zum Kettenglied.
So wird auch ein Wohnhaus durch Absonderung
, durch seine eigentümliche Lage von
selbst ein Individuum; mißlich aber ist es,
wenn es der Bauherr oder Baumeister noch
außerdem zu einem Besonderen, vor dem
Gleichgestellten sich Hervortuenden machen
will. Denn da das Zweckmäßige und Nötige
nicht eigentümlich wirken, so verfällt man
beim Individualisieren auf das Ueberflüssige
und Närrische, auf die Türmchen- und Erkerchen
-Spiele, auf die Verkleinlichungen von
Fassaden und Dächern. Vor einigen Jahren
glaubte man mit der Forderung, „von innen
nach außen zu bauen", eine Weisheit zu erfassen
. Jeder große Künstler erfindet aber
Inneres und Aeußeres seiner Gestalten immer
gleichzeitig, und wer wirklich von innen nach
außen bauen wollte, könnte viel Geld für
etwas sehr Ungefälliges und Unpraktisches
ausgeben. Von einem guten Baumeister verlangt
man, daß er die gewünschten Innenräume
in eine zweckmäßige Umwandung einzuordnen
versteht. Die zweckmäßige Grundform
des Hauses ist immer das glatte Viereck
, entweder das einfache oder das Doppelviereck
im Winkel oder das dreifache in
Hufeisenform. Der reichere Bauherr kann
bei einem großen Hause sich einen Ausbau
oder Vorbau leisten, um einem Saale oder
Zimmer einen besonderen Reiz zu geben.
Wer nur ein kleines Haus haben kann, bedenke
, daß Diamanten nicht wohl zu einem
Wollkleide passen. Der gediegenste Schmuck
eines Hauses sind immer das gute Material
und die sorgfältige Ausführung aller Teile;
im übrigen gelten nur noch die Gesetze der
Symmetrie, die man nur nach reiflicher Ueber-
legung und in besonderer Not übertreten
sollte. Wer freilich das Uebliche und Ueber-
lieferte scheut, wird sich bemühen, in die
Tür- und Fensterformen und Tür- und Fensterstellungen
recht viel Mannigfaltigkeit zu
bringen, wird nach „Motiven" suchen, die
etwa noch eingebaut oder angepappt werden
können. Aber wir wissen schon, daß der Anhänger
der Gesetzlichkeit sich vor dem Konventionellen
keineswegs fürchtet und sich lieber
in die Reihe der Nachahmer und Benutzer
stellt, zumal alle größten Künstler bereits in
dieser Reihe stehen.

Die Gesichter und Umrisse solcher Bauten,
wie sie hier empfohlen und von Schultze-
Naumburg gebaut werden, können uns freilich
nicht in Staunen und Aufregung versetzen
. Diese Wohnhäuser werden ruhig dastehen
, heiter-freundlich oder vornehm-stolz.
Wenn wir vorbeigehen, werden sie uns nicht in
unseren Gedanken stören, und wenn wir in diesen
Häusern und Gärten oder in ihrer Nachbarschaft
wohnen, werden sie uns mit jedem Jahre
lieber als ein stilles Zubehör einer Heimat.

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