Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 18. Band.1908
Seite: 281
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SCHÖNHEIT UND AUSDRUCK

Es ist mir nie recht klar geworden, ob das
Ziel der Kunst eigentlich Schönheit oder
Charakter sein soll. Die schönsten italienischen
Gemälde kann ich in größerer Anzahl
nicht genießen, und an deutschen und
niederländischen Meistern habe ich bei verhältnismäßiger
Ungelenkigkeit oft größere
Freude. Und die gleiche Empfindung traf
ich häufig bei anderen, auch bei der Beurteilung
von Kunstwerken der Architektur und
der übrigen Gebiete der Kunst. Die vollendete
äußere formale Schönheit mag wohl
mehr für die sinnesfrohen Südländer sein.
Wir bleiben kalt bei vollendeten Formen, wo
der Inhalt nicht kraftvoll durchdringt. Haben
doch lange unsere Maler voller Scheu die
Schönheit gemieden aus Angst, für trivial gehalten
zu werden, und das Triviale gemalt,
um Charakteristik zu bieten. — „Um originell
zu scheinen", wird man mir vielleicht antworten
. Aber das trifft wohl nicht die Führenden
. Die ganze Kunst Italiens steht unter
dem Zeichen jener Epoche „der Renaissance",
die mit unerreichbarem Feingefühl für Ebenmaß
und Harmonie immer und immer wieder
jene klassischen Formen variierte, jene Werke
überirdischer Vollendung schuf, die nie übertreffbar
erscheinen. Nie könnte ich mir diese
abgeklärte heitere Ruhe der Vollendung in
Deutschland denken. Bei uns atmet alles
Ringen und Arbeit und Kampf.

Ein Italiener erzählte mir vor einiger Zeit
von seinem Landhause, das er mit vier riesigen
Säulen schmücken wollte, Säulen im
Sinne Palladios von vollendeter Schönheit
der Form. Die glänzende Pracht der Säulen,
die herrliche Schönheit ihres elastischen Schaftes
, die Größe der Erscheinung, die sie seinem
Hause verleihen würden, das machte seine
Augen leuchten.

Ich glaube, ich könnte kaum ein besseres
Beispiel finden, nordische Auffassung diesen
Idealen sinnfälliger gegenüber zu stellen als
in dem Honnefer „Feuerschloß" des Architekten
Freiherrn von Tettau, das in zahlreichen
Abbildungen uns vorliegt. Meinem
Italiener würde es sicherlich bei aller Vornehmheit
und Größe zu wenig glänzend, zu

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ARCH. WILHELM FREIHERR VON TETTAU-BERLIN DAS „FEUERSCHLOSZ" IN HONNEF a. RH.: EINFAHRT

Dekorative Kunst. XI. 7. April 1908. 281 36


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