Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 18. Band.1908
Seite: 327
(PDF, 145 MB)
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einander zeitlich und örtlich so fern standen,
daß das eine von der Existenz des anderen kaum
etwas wußte, zeigen in ihren Kunstformen gar
oft verblüffende Aehnlichkeiten. Daß man eine
japanische Bordüre mit Schöpfungen unserer
späteren Renaissance oder mit griechischen
Stücken verwechseln kann, ist zum mindesten
doch recht merkwürdig. Daß die Abessinier
einen Schmuckkamm mit einem Band- oder
Flechtwerkornament verzieren, das ebensogut
romanisch sein könnte, ist auch nicht
gerade selbstverständlich, und nicht immer
wurde in Europa Besseres geschaffen, als jene
asiatische Bordüre. Und dann erst, jene vielen
Einzelheiten, wie sie unsere übrigen Abbildungen
darstellen, die eigentlich nicht gerade notwendig
dem Stile ihrer Entstehungszeit angehören
müssen, die neutral sein können, die,
sagen wir einmal modern sein könnten!
Bis ins Unendliche ließe sich die Anführung
solcher Fälle fortsetzen! Die Anfangszeiten der
verschiedenen Stile bieten hierdiereichste Ausbeute
, während höher entwickelte Kunstperioden
meist derart in „Manieren" stecken, daß
für einfach natürliche Formen der Sinn fehlt.

Selbst die rothäutigen Ureinwohner Amerikas
habenOrnamente geschaffen,die sehr stark an die
griechischenMäandermotive und den „laufenden
Hund" erinnern, obwohl doch hier auch nicht
gut von einer Beeinflussung die Rede sein kann.

Eine Erklärung für diese recht merkwürdigen
Erscheinungen gibt uns die Grenze der
Kunst nach unten. Die allereinfachsten Formen,
die Linie, gerade, gewellt oder in Zickzackform
dargestellt, ein Viereck, Dreieck usw., ein
Kreis, die Spirale in all ihren Variationen, sie
alle bleiben sich für alle Völker gleich. Hier
haben wir die Elemente der Kunstformen, die
teilweise bereits die Natur selbst bietet und auf
die auch die höchstentwickelten Kunstepochen
nicht ganz verzichten konnten. Den Unterschied
der Stile wird immer nur die Anwendung
dieser Elemente ausmachen.

Tatsächlich läßt sich denn auch bereits in
der Moderne ein Zurückgehen auf diese elementaren
Formen feststellen. Theodor Fischer
und Hermann Billing lassen längst diese äußerst
gesunde Bewegung erkennen, und selbst die
Grässelschen Friedhofsanlagen in München,
obwohl nicht ohne historische Tendenz, sind
ein Fortschritt in diesem Sinne. Wenn wir
erst einmal den griechisch-römischen Formenkanon
und die bis zum Ueberdruß bekannten
Barockzutaten vollständig überwunden haben,
dann wird auch die etwas schwerfällige Architektur
gezwungen sein, dem weniger gebundenen
Kunstgewerbe in der modernen Bewegung
zu folgen. Das Gute liegt so nahe,
und der Mensch ist heute noch derselbe wie
vor Jahrtausenden. Georg Hoffmann

gräfin helene yorck-kalckreuth « rahmen mit stickerei (vgl. s. 137)

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