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BRONZERELIEF: DIANA UND AKTÄON
nebeneinander, und nur das Milieu ist das
gleiche bei ihnen. Jede Zeichnung dient in
erster Linie als Ornament und zur Belebung
der Buchseiten; die wenigen aber lebhaften
Farben sind reinlich und höchst wirksam zusammengehalten
; Figuren und Landschaft und
rahmendes Ornament dem Gesetz einheitlicher
Dekoration untergeordnet. So bildet das lustige
Werklein von Thoma und Taschner ein wahrhaftes
Musterbeispiel, wie man Bücher auch
reich ausstatten kann; eine Kunst, in der die
Deutschen, fast mit alleiniger Ausnahme der
Lechter'sehen und Sattler'sehen Prachtbände
und einiger Kinderbücher des Schaff-
steinschen Verlages, noch sehr weit zurück sind.
Durch die Zeichnungen zum „Hies" hat sich
Taschner in eine Reihe mit unsern besten
Buchkünstlern gestellt; die Ruhe und Geschlossenheit
der Form, die naive Pracht des
Ornamentes lassen am meisten die Erinnerung
an E. R. Weiss auftauchen. Beide Künstler
stehen sich aber zu fern, um sich in irgend
einer Weise beeinflussen zu können; sie bilden
nur erfreuliche Parallelerscheinungen in ihrem
ornamentalen Stil. Viel deutlicher erscheint
seine Verwandtschaft mit Zeichnern wie Rossmann
, Bruno Paul und Julius Diez, weil die
Gemeinsamkeit des Gegenstandes, der karikierenden
Auffassung, der bizarren Linie
etwas Leichtfaßliches bedeutet.
Die runde Greifbarkeit der Erscheinungen,
die jede seiner Zeichnungen so lebhaft macht
und in seinen Landschaften eine mächtige
Tiefenwirkung hervorruft, ist letzten Endes
ein Ausfluß seiner plastischen Begabung. Bei
der Buchillustration stört das Dreidimensionale
in solcher Betonung leicht die Flächenwirkung,
die hier unentbehrlich ist; im Relief, in der
Vollplastik ist kräftiges Raumgefühl das allbelebende
Element. Darum hatsichauch Taschner
zu allen Zeiten in der Plastik am meisten
heimisch gefühlt und ihr seine beste Kraft
zugewendet; und sie ist in der Tat die am
meisten tektonische unter allen Künsten, außer
der Architektur selber. Das tektonische und
das plastische Gefühl vereinten sich in Taschner
, ihn zur dekorativen Plastik zu treiben.
Es ist nicht wunderbar, wenn das Beste an
seinen Möbeln, Uhren, Bucheinbänden usf.
das bildnerische Element oder Beiwerk ist,
und ebenso wenig erstaunlich, wenn ihn die
Beschäftigung mit diesen Dingen nicht befriedigte
, und wenn solchen Arbeiten die Vollendung
abgeht, die nur innerliche Notwendigkeit
erzeugt.
Seine Statuetten aber tragen den Stempel
dieser Notwendigkeit. Sie sind nicht aus
einem illustrativen Bedürfnis entstanden, wie
glaublich das auch beim ersten Anblick scheint;
ihre historisierende oder genrehafte Pose ist
sehr glücklich und überzeugend, ihre Lebensfähigkeit
, aus klarster Beobachtung der Natur
geschöpft, wirklich verblüffend. Aber diese
sachlichen Vorzüge haben bei ihnen sehr wenig
Bedeutung neben dem, was sie zu echten Kunstwerken
macht, neben ihrer plastischen Motivierung
. Das bedeutet: jedes von den kleinen
Werken hat ein besonderes plastisches Gesetz
in sich, einen Bewegungsfaktor, der ihre Form
bis in die geringste Einzelheit bestimmt. Nur
mit dieser räumlichen Bewegungseinheit, die
im Grunde auf die Hildebrand'sehe Forderung
der kubischen Einheit hinausläuft, vermag
sich ein Kunstwerk von plastischem Stil zu
legitimieren. Die Statuetten Taschners werden
das lehren. Den „Strauchdieb" auf seinem Klepper
erfüllt eine einzige Bewegung, die des
Zurückstemmens auf abschüssigem Boden;
alle Hauptlinien gehen in spitzem Winkel zur
Sockelebene steil empor, und diese einheitliche
Bewegung drückt sich ebenso drastisch
in dem zurückgerissenen Pferdekopf mit den
geblähten Nüstern, wie in den Ellbogen, den
aufgerissenen Augen, dem angezogenen Kinn
des Reiters aus: ein Gedanke in unzähligen
Variationen, bis zu dem Schwanz des Gauls
und der Lanzenspitze; selbst der von Natur
gesenkte Rücken des Tieres trägt sozusagen
ohne Willen zu dem Eindruck des „Stoppens"
bei. Dann z. B. der „Wanderer" mit seinem
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