Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 18. Band.1908
Seite: 337
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^-4^> IGNATIUS TASCHNER

einladende Geste des Eingangs symbolisch fort.
Die geistvollste Skulptur ordnet sich bereitwillig
dem Gedanken des Architekten unter;
darum braucht Hoffmann so gerne seine
Hilfe beim Aufbau, wenn reinen Architekturgliedern
die Sprache versagt und ein lebendigeres
Formenspiel an ihre Seite treten muß.
Dann erfindet Taschner jene Fülle plastischer
Motive, deren Relief stets die notwendige tek-
tonische Bewegung für ihre Stelle abgibt, und
die, an sich reizvoll, doch nie über das verlangte
Maß von Unterordnung hinausgehen.

Der „Stil", so kräftig ausgebildet, erscheint
hier beinahe gleichgültig; er ist nur ein Ausfluß
der architektonischen Grundidee. An
Hoffmanns dem Barock entsprungener Bauweise
sind die Skulpturen schwer, saftig, gerundet
; am „gotisch" strengen Wertheimbau
im Geiste der französischen Frühkunst des
12. Jahrhunderts gehalten, deren Höhepunkt
die Westportale des Chartreser Domes bedeuten
. Das höchst anmutige Relief des „Reichtums
" hat völlig den archaistischen Zug, im
Stil, in der Erfindung (der Mandorla), in der
Art der plastischen Projektion ins Flache.
Aber nicht der Stil von Chartres allein gibt

diesen Falten ihre strenge und herbe Anmut,
den Figuren das Schlanke und ihre gebundene
Bewegung, die dekorative Raumabstraktion des
flachen Reliefs, sondern die steilen und großartigen
Linien der MESSELschen Architektur
klingen hier wieder an und verhauchen.

Wo Taschner aber ohne die Gebundenheit
der Baukunst frei im Raum schaffen kann,
wandelt sich die tektonische Selbstzucht seiner
Form in die oberste Tugend des Bildhauers,
in Monumentalität. Vor seinen Statuetten,
vielleicht auch noch vor dem kleinen Entwurf
zum Straßburger Goethe-Denkmal durfte man
noch Zweifel hegen, ob ihre Art zur monumentalen
Plastik führen könne. Die Schiller-
Statue aber, die Taschner im vorigen Jahre
für Nordamerika vollendete, hat den Beweis
geliefert, daß seine Kunst für die höchsten
Aufgaben reif sei. Deutschland bekam nur
die Statuette zu sehen, die nach dem großen
Modell gearbeitet ist. Aber da sie treu ist,
so kann ihre Abbildung leicht den Eindruck
des überlebensgroßen Originals vermitteln.
Das Motiv ist rein plastisch: das Schreiten eines
sehr langen Menschen. Die straffe und energische
Bewegung drückt sich in dem ganzen

Dekorative Kunst. XI. 8. Mai 1908.

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