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FRANK KIRCHBACHS KARTON „DIE WIEDERKUNFT CHRISTI
Für die im Jahre 1900 in München-Neuhausen
von der Firma Heilmann & Littmann
(München) erbaute protestantische „Christus
-Kirche" hat Se. Kgl. Hoheit der Prinzregent
von Bayern ein Glasgemälde gestiftet,
dessen Ausführung dem Münchener Professor
Frank Kirchbach übertragen wurde, von dem
bereits das Altarbild der Kirche „Es ist vollbracht
" herrührt. Das Glasgemälde stellt „Die
Wiederkunft Christi" dar — ein von Künstlern
viel verwendeter Vorwurf, der eben gerade
ob seiner Vieldeutigkeit der künstlerischen
Phantasie weiten Spielraum läßt. Natürlich
war Kirchbach an überkommene Formen
und Typen gebunden, aber er hat doch innerhalb
des Gegebenen etwas Neues und Eigenartiges
versucht. Schon die Christusgestalt
ist von erhabener, majestätischer Wirkung,
klar heraustretend aus dem Ganzen und doch
wiederum dasselbe sicher beherrschend. Zu
Jesu Füßen kniet in anbetender Stellung seine
Mutter Maria. Um die Gestalt Jesu gruppieren
sich zur Linken die Apostel mit ihren Attributen
(Paulus, Petrus, Johannes und Thomas),
dazwischen die „große Sünderin" (vulgo: die
büßende Magdalena); zur Rechten zunächst
eine Gruppe von Seraphim, von denen einer das
Buch des Lebens, „über vitae", aufgeschlagen
hält. Sodann folgt der „Prediger in der Wüste",
Johannes derTäufer, David mit der Harfe, Jesaias
mit seinem Feuergeist, Moses mit den Tafeln
des Gesetzes. Unter dieser himmlischen Welt
all die Menschen der Erde, die aus den Gräbern
hervorgehen, die einen zum Leben, die anderen
zum Gericht. Auf der einen Seite die Christen,
die im Kampf des Lebens am Glauben festgehalten
haben: die Märtyrerin, von einem
Engel zum Ziel ihrer Hoffnung geführt, den
Lohn ihres Glaubens empfangend, der rauhe
Krieger, der trotz seines Berufes sich sein
Heiligstes bewahrt, der Lahme und Kranke,
der ob seiner Hilflosigkeit ganz besonders der
göttlichen Gnade gewiß sein darf, der Lebenspilger
, die abgehärmte Witwe — alles Gestalten
, die allsonntäglich der Gemeinde als
Trost- und Glaubensgestalten vor Augen geführt
werden. Daneben rechts die sehr bewegte
Gruppe derer, die ausgestoßen werden
in die höllische Glut. Während sich dort Friede
und inneres Glück auf den Gesichtern widerspiegelt
, sehen wir hier auf denselben Angst,
Schrecken und Verzweiflung ausgeprägt: die
feisten Gestalten, denen „der Bauch ihr Gott"
war, die „dem Mammon gedient haben", neben
solchen, die der Sinnenlust ihre Körper preisgegeben
. Der Erzengel Michael mit dem flammenden
Schwert und dem flammenden Schild
treibt sie zurück an den Ort der Qual. Als
Gegenstück zu dieser wilderregten Szene haben
wir links die „Porta coeli", aus der der Engel
des Friedens heraustritt, um die Seligen zu begrüßen
. Engel mit der Posaune verkünden die
Wiederkunft des Herrn. Das ganze Bild wird
überstrahlt von der Sonne, deren Strahlen zum
Teil auf unserer Abbildung noch sichtbar sind;
innerhalb des Sonnenkreises werden dann in
entsprechenden Feldern die Symbole der vier
Evangelisten angebracht. — Besonderes Interesse
wird auch die technische Ausführung,
welche der Hofglasmalerei F. X. Zettler in
München übergeben wurde, in Anspruch nehmen
, indem hier wohl zum ersten Male auf
eine möglichst weitgehende Verwendung des
abgetönten Glases gesehen wurde, so daß das
ganze Fenster mehr ein Glasmosaik darstellen
wird, wobei die notwendige Verbleiung zugleich
die Linie bildet, mit der der Künstler
spricht und die eigentliche Arbeit der Malerei
sich auf zeichnerisches Ergänzen erstreckt,
soweit es zum Verständnis der Formen unbedingt
notwendig ist. Es dürfte einleuchten,
daß durch solche Technik eine Glut der Farbenwirkung
erzielt wird, wie sie durch kein
Bemalen der Fenster in früheren Zeiten —
ausgenommen die ganz frühen Perioden —
je erreicht worden ist. r. f. Merkel
ignatius taschner-berlin H eichengeäst mit eichhörnchen
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