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^=4^> RICHARD WAGNER UND DAS KÜNSTLERTHEATER <^=^
ARCH. LEOPOLD BAUER-WIEN SPEISEZIMMER IN SCHLOSZ GEPPERSDORF (vgl. Seite 347)
beschränkt, die umgebende Szene aber nur
in großen Umrissen angedeutet ist, „Wilde,
riesige Züge, hervor aus der Finsternis
brechend, als bekäme die Nacht plötzlich hier
selbst ein Gesicht", so ruft Hebbel vor einem
solchen Bilde aus. Der eigentliche Vorgang,
der wie ein flammendes Zeichen aus dem
dunklen Grunde hervorbricht, tritt uns entgegen
als ein abgeschlossenes Ganzes, wirkt
deshalb viel eindrucksvoller, größer und erfaßt
uns gleich einer tiefinneren plötzlichen
Erleuchtung. Die Szene dagegen tritt völlig
in den Hintergrund, sie versinkt in einem
unbestimmten Helldunkel. Wir können ihre
Formen kaum noch feststellen, nur auf dem
Wege der Ahnung, des Gefühls ihnen noch
beikommen. Sie bildet so den ungeheuren
Resonanzraum, in welchem jene Vorstellungen
, die im Hinblick auf die Hauptdarstellung
angeregt worden sind, erst ausgelöst werden
und zu jenen wunderbaren innerlichen Visionen
sich aufrollen, die den Menschen so hoch über
seinen gewöhnlichen Zustand emporheben und
ihn die Größe seines Wesens erst in ihrer
ganzen Fülle, in all ihren Möglichkeiten empfinden
lassen.
Augenfälliger noch finden wir diese Prinzipien
verwirklicht in den Radierungen von
Goya. „Vor einem Ton, der kaum sich abstuft,
mit wenig Strichen, die kulissenhaft leicht
den Raum nur allgemein andeuten, nagelt er
wie einen Schmetterling die Menschen fest."
Dabei prägen sich die Zwecke und Absichten,
die Leidenschaften, denen seine Geschöpfe
fröhnen, in der großartigsten Weise unserer
Seele ein. Was hier den starken Eindruck
hervorruft, beruht in erster Linie auf raumbildenden
Momenten. Das Lokal entspricht
nicht mehr dem Maß gewöhnlicher menschlicher
Verhältnisse, es hat sich erweitert ins
Ungemessene. Der fast leere Hintergrund
ist die ganze Welt, sagt Klinger. Und wie
ja alle sinnlich wahrnehmbaren Dinge erst
durch Verhältnisse des Raumes schön und
eindrucksvoll werden, so bewirken auch hier
die ganz besonderen Raumverhältnisse ein
tieferes Erleben und volleres Erfassen der
dargestellten Handlung. Dem Künstler war
es darum zu tun, die Phantasie des Beschauers
in lebhafte Aktion zu setzen, seinem Werke,
indem es an die Einbildungskraft des Genießenden
appellierte, eine ergreifende Wirkung
zu sichern. Dieser Absicht kommt der poeti-
sierende Charakter der Zeichnung, die ja die
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