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-^£> RICHARD WAGNER UND DAS KÜNSTLERTHEATER
ARCH. LEOPOLD BAUER-WIEN « AUSSTELLUNGSRAUM DER WIENER SECESSION « BRUNNEN VON ANTON HANAK
Dinge nicht nur ihrer selbst willen gibt, sondern
vielmehr um die eng mit ihnen verknüpften
Ideen in dem Beschauer wachzurufen, auf
halbem Wege entgegen. Durch charakteristische
Verkettung der Umstände bewirkt der Künstler
Ideenassoziationen, die über das, was wirklich
dargestellt ist, weit hinausgehen. Der
Einbildungskraft des Beschauers bleibt es überlassen
, die gegebenen Voraussetzungen dann
zu einem nach Tiefe und Breite hin gleich
vollendeten, lebendigen Ganzen zu gestalten.
Was hier auf dem Gebiete der Zeichnung
als die letzte Absicht des Künstlers zutage
tritt, entspricht genau dem, was die Gründer
des Künstlertheaters in szenisch-stilistischer
Hinsicht anstreben, nämlich Beschränkung der
Ausdrucksmittel auf dasjenige, was die Phantasie
des Beschauers anregt und zur intensivsten
Mitarbeit auffordert.
Hier ist der Punkt, wo die beabsichtigten
Reformen mit der Auffassung des Bayreuther
Meisters in vollkommenen Widerspruch geraten
.
Richard Wagner geht von der Anschauung
aus, daß die Kunst den höchsten Anforderungen
nur dann genügt, wenn sie nicht mehr
an die Einbildungskraft, sondern direkt an die
Sinne sich kundgibt, — wenn sie also unmittelbare
sinnliche Darstellung, allerrealste
Wirklichkeit ist. Diese aber ist nur „durch
Kundgebung an die Universalität der Kunstanschaulichkeit
des Menschen, durch Mitteilung
an seinen vollkommen sinnlichen Organismus
, nicht an seine Einbildungskraft möglich,
denn das wirkliche Kunstwerk erzeugt sich
eben nur durch den Fortschritt aus der Einbildung
in die Wirklichkeit, das ist: Sinnlichkeit
". Seine einzig mögliche Realisierung
findet es in der Form des dramatischen Kunstwerkes
, im „lebendigen Kunstwerke des sich
selbst darstellenden Menschen". Die bildenden
Künste aber sind nach Wagners Anschauungbloße
, unvollkommene Nachbildungen
des tragischen Kunstwerkes. Doch hat dabei
das Werk des Malers vor dem des Bildhauers
einen wichtigen Vorzug, da es sich nicht wie
dieses auf die Darstellung des Menschen nach
seiner vollkommenen Form hin zu beschränken
hat, sondern seine Schilderung auch auf die
Erscheinungen des Lichts und der Farbe auszudehnen
vermag, infolgedessen der Illusion
der Wirklichkeit näher kommt. Da aber auch
ihm das wichtigste Moment der Kunst, die
Bewegung, nur durch den Appell an die
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