Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 18. Band.1908
Seite: 354
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-^4^> RICHARD WAGNER UND DAS KÜNSTLERTHEATER <^s^

Bewegung und Aktion übergehend und in
jedem Momente immer wieder modellgerecht
sich darstellend, dazu endlich der Sprache
und Rede des wirklichen Vorganges sich bemächtigend
, — man denke dieses übermächtig
gewordene Modell endlich zur Korporation
sich gestaltend, das Lokal seiner Umgebung
in gleicher Weise wie seine Gebärde und
Rede zu wahrer Täuschung herrichtend, —
so läßt sich leicht schließen, daß er hiermit
schon ganz allein hinreißend auf die Masse
wirkt, ganz gleichviel, welchen Vorgang darzustellen
ihm beliebt: der bloße Zauber der
täuschenden, lebendige Vorgänge überhaupt
nachahmenden Maschinerie setzt alles in
diejenige angenehme Verwunderung, welche
in erster Linie das eigentliche Vergnügen am
Theater ausmacht." Die Bildhauerkunst erfüllt
also ihren eigentlichen Zweck erst dann,
wenn sie auf die Darstellung des Menschen
als solchen verzichtet und nur im Rahmen

ARCH. LEOP. BAUER-WIEN « AUSSTELLUNGSSCHRANK

der Architektur als schmückendes und die
Flächen gliederndes Beiwerk noch Verwendung
sucht.

Aber wenn Wagner die Bildhauerei vom
Gebiete der Kunst beinahe ausschließt, dieselbe
nur noch in ihren ideellsten Formen
als Ornament noch gelten läßt, so fordert er
im schroffsten Gegensatze dazu von der
Malerei die vollste und wirksamste Entfaltung
aller ihrer Mittel. Sie ist die „eigentliche,
lebengebende Seele" der Architektur, und ihr
steht es zu, den Schauplatz für das dramatische
Kunstwerk, die Naturszene für den
lebendigen, nicht mehr nachgebildeten Menschen
darzustellen. Und zwar soll sie als
dem höchsten Ziele darnach trachten, dem
Auge die wirkliche Natur vorzutäuschen. „Die
Szene, die dem Zuschauer das Bild des menschlichen
Lebens vorführen soll, muß zum vollen
Verständnis des Lebens auch das lebendige
Abbild der Natur darzustellen vermögen."
Die Wände dieser Szene dürfen nicht mehr
kalt und teilnahmslos zu dem Künstler herab
und zu dem Publikum hinstarren, sie müssen
sich mit den frischen Farben der Natur, mit
dem warmen Lichte des Aethers schmücken
und müssen durch die besondere räumliche
Anordnung die Illusionsgewalt noch verstärken
. Was der Maler — der Landschaftsmaler
kommt hier nur in Betracht — mit
glücklichem Auge der Natur ablauschte, was
sein Genius in einer gesegneten Stunde
an inneren Gesichten ihn schauen ließ,
das soll sich unter seiner Meisterhand zu
einem derart vollendeten Bilde gestalten, daß
es schon als bloßes Augenerlebnis die Masse
in Verwunderung setzt. Was er bisher im
engen Rahmen des Bildwerkes zusammendrängte
, was er an die Liebhaber und Sammler
, an die Museen dahingab, das soll nun ins
Große sich auseinanderfalten und den weiten
Raum der tragischen Bühne erfüllen. Und
was durch den feinsten Pinsel und die geschickteste
Farbenmischung nur angedeutet,
der Täuschung nur angenähert werden konnte,
das wird der Maler hier durch künstlerische
Verwendung aller ihm zu Gebote stehenden
Mittel der Optik, der künstlichen Lichtbenützung
zur vollendet täuschenden Nachahmung
bringen. Und dieses Werk, das im
Rahmen der Bühne und vor der „vollen gemeinsamen
Oeffentlichkeit" ihm entgegentritt,
wird ihn unendlich mehr befriedigen und wird
in diesem Rahmen einen lebensvolleren Eindruck
, ein größeres allgemeines Verständnis
hervorrufen als sein früheres landschaftliches
Bildstück.

Diese Forderung einer die Wirklichkeit bis zur

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