Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 18. Band.1908
Seite: 361
(PDF, 145 MB)
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Lucian Bernhard

Im modernen Kunstgewerbe vollzieht sich
ein Kampf, in dem sich verschiedene
Kräfte messen. Nicht nur ein äußerlicher,
etwa zwischen Kunst und Industrie, Künstler
und Publikum, sondern auch — und vor
allem — ein Kampf innerlicher Art. Ein Kampf
in der Brust des Künstlers, gekennzeichnet
durch die Begriffe: Schönheit oder Zweckmäßigkeit
, Schmuck oder Sachlichkeit, Phantasie
oder nüchternes Erfassen des Notwendigen
, Eigen-Empfinden oder Ausdruck des
Allgemeinen.

Der Künstler der Gegenwart, der sich dem
Kunstgewerbe zuwendet, wird bald diese
Zwiespältigkeiten in sich erwachen fühlen.
Er darf und kann ihnen nicht ausweichen.
Und in der Tat kann man alle kunstgewerblich
tätigen Kräfte -— von den reformatorischen
Talenten an bis zu den nachahmenden
— darnach einteilen und
werten. Sie erhalten dadurch
ihre Marke, ihren
Charakter.

Es ist dies zugleich eine
Uebergangserscheinung
der Entwicklung; der
Künstler, der Zeitempfinden
besitzt, kann ihr nicht
ausweichen. Der Allgemeinwille
formt in Tradition
und Neuerung seine
Forderungen, und der
Künstler, als der Einzelne,
der dem Allgemeinen
lauscht, ist der Durchgang
für diese Zeitströmungen.
Inwieweit er Persönliches
zu unterdrücken oder hervorzuheben
imstande ist,
inwieweit er dem Allge-

YESTER UND LI

VON BERNHRRO

KEILERMANN

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UMSCHLAG-ZEICHNUNG

meinen folgt oder sich seiner bedient; inwieweit
er aus beidem eine Form erstehen
läßt, die in sich gefestigt genug ist, um der
Allgemeinheit dienen zu können, die zugleich
einen Erscheinungscharakter besitzt, der unzerstörbar
ihr innewohnt, so daß das Material
Sprache und Ausdruck bekommen zu
haben scheint, das Persönliche eingegangen
ist in das Materielle, das sind die Kernfragen
des kunstgewerblichen Schaffens.

Zwei Einflüsse werden da den Künstler
lenken wollen; sie streiten sich um die Herrschaft
, sie stellen die Pole der Entwicklung
dar: Tradition und Neuprägung. Das Traditionelle
braucht nicht immer zur charakterlosen
Nachahmung zu führen. Es ist vielleicht
eine sichere Stütze; indem der Künstler
hier die Fragen des Formalen, der stilistischen
Behandlung klarer sieht, da sie schon

von Generationen behandelt
sind, kommt er leichter
auf eine Höhe, die
dem absoluten Neuschöpfer
versagt ist. Wenn er
schöpferische Kraft besitzt
, mischt er dem Alten
eine neue, moderne Nuance
bei und betont damit
das Persönliche. So leitet
er die Tradition, den Stil
weiter und wandelt das
Geprägte allmählich im
Sinn einer eigenen Anschauung
um. Es sind Zeichen
vorhanden, daß in
den nächsten Jahren das
Gefühl für den Stil als festen
Ausdruck formalen
Willens wieder lebhafter
erwachen wird. Nicht im

m

iL.

Dekorative Kunst. XI. 8. Mai 1908.

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