Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 18. Band.1908
Seite: 365
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ARCHITEKTONISCHE ODER LANDSCHAFTLICHE GARTENGESTALTUNG
Von Fritz Encke-KöIii
I.

Seit einigen Jahren ist ein ziemlich heftiger
Kampf entbrannt über die Frage: Soll der
Garten architektonisch oder, wie es manche
nennen, landschaftlich gestaltet werden? Der
Anstoß zu dieser Erörterung wurde gegeben
in der Kritik der Durchschnittsgärten durch
Schultze-Naumburg, in Band II seines Werkes
„Kulturarbeiten". Er tadelt darin die Geschmacklosigkeiten
, die in der Tat in vielen
Gärten anzutreffen sind, und weist besonders
auf den Garten der Biedermeierzeit hin, dessen
Wiederbelebung er für die heutigen Verhältnisse
empfiehlt.

Muthesius schloß sich an und zeigte, wie
in England der architektonische Hausgarten
bereits vielfach in guten Beispielen vorhanden
sei, welche in praktischer und ästhetischer
Hinsicht vollauf befriedigten. Olbrich brachte
in Darmstadt seine Farbengärten zur Darstellung
, Peter Behrens zeigte in Düsseldorf
und in Oldenburg einen Hausgarten, und in der
vorjährigen Mannheimer Gartenbau-Ausstellung
wurden von Läuger, Behrens, Billing
und Schultze-Naumburg Gärten vorgeführt.
Außerdem wurde in vielen Zeitschriften von
Freunden und Gegnern der Bewegung die
Frage lebhaft besprochen.

Es ist recht erfreulich, daß der Garten,
welcher jahrzehntelang als Stiefkind behandelt
wurde, sich wieder wie vor hundert Jahren
eines so großen Interesses bei Nicht-
gärtnern, ja in der öffentlichen Meinung erfreut
. Diese Tatsache ist aber auch gar nicht
verwunderlich, sondern nur eine Einzelerscheinung
der großen Bewegung, welche alle
Gebiete technischen Schaffens von der ästhetischen
Seite gründlich betrachtet, Schäden
rücksichtslos aufdeckt, Vorschläge für deren
Abstellung macht und auf ihre Verwirklichung
zielbewußt hinarbeitet.

Dabei tritt allerdings eine häßliche Begleiterscheinung
zutage, nämlich die, daß der Streit
vielfach das sachliche Gebiet verläßt und persönlich
wird; sei es, daß es sich um einzelne
Personen handelt, oder um den Kampf ganzer
Berufsklassen miteinander, hier also besonders
der Gärtner und der Architekten.
Ich halte den Einwurf von Gärtnern, daß die
Herstellung des Gartens ihre Sache und nicht
die der Architekten sei, für ebenso verfehlt,

wie die so oft ausgesprochene Ansicht zahlreicher
Architekten, welche den Entwurf zum
Garten für sich beanspruchen und die technische
Ausführung sowie die Füllung des
Gartens mit Pflanzen dem Gärtner überlassen
wollen. Einen künstlerisch wertvollen Garten
wird nur der zustande bringen, welcher das
Kunstgefühl besitzt, die begrenzte Gartenfläche
befriedigend aufteilen und die Massen rhythmisch
verteilen zu können, der aber gleichzeitig
mit dem pflanzlichen Inhalte des Gartens
und dessen Lebensbedürfnissen so vertraut
ist, daß er bei der Aufteilung der Flächen
und der Anordnung der Massen schon ganz
genau weiß, mit welchem pflanzlichen Material
er die verschiedenen Teilstücke mit
Erfolg bepflanzen kann. Man kann hierbei
nicht sagen, erst die Einteilung, dann die
Bepflanzung, sondern pflanzlicher Inhalt und
Einteilung müssen gleichzeitig vor dem Geistesauge
des Entwerfenden Gestalt gewinnen.
Ob dieser Mann Gärtner, Architekt oder Vertreter
irgend eines anderen Berufes ist, scheint
mir für die Sache vollständig gleichgültig zu
sein. Etwas anderes ist es, wenn wir fragen:
wer wird in der Regel am ehesten den oben
verlangten Vorbedingungen entsprechen? Oder:
was ist im allgemeinen leichter, daß sich ein
kunstverständiger Architekt die Kenntnis der
umfangreichen, für die Gärten in Betracht
kommenden Pflanzenschätze aneignet, oder
daß ein kunstsinniger Gärtner das architektonische
Verständnis erwirbt, welches zum
Ausbau des Gartens in ästhetisch einwandfreier
Weise erforderlich ist? Ohne diese
Frage eingehend erörtern zu wollen, möchte
ich meiner Meinung dahin Ausdruck geben,
daß weder das eine noch das andere die Regel
bildet, sondern die günstigste Lösung die
bleiben wird, daß gebildete Männer, welche
das Schaffen von Gärten als Lebensberuf wählen
wollen, sich auf beiden Gebieten entsprechend
unterrichten, sollen wirklich die Gärten außer
einer guten Anordnung auch inhaltlich die
Abwechslung und Individualität zeigen, welche
das fast unabsehbare Pflanzenmaterial zuläßt,
das wir besitzen. Denn, wie ein künstlerisch
nicht durchgebildeter Gärtner bei gutem Willen
in seinen Gartenplänen kaum über eine
von außen empfangene Schablone hinaus-

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