Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 18. Band.1908
Seite: 369
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ARCHITEKTONISCHE ODER LANDSCHAFTLICHE GARTENGESTALTUNG

Rundgang zu ermöglichen, einer unregelmäßig
eckigen Grenze zu folgen, einem Hindernis
auszuweichen oder Höhenunterschiede zu überwinden
. Das Hineinklemmen einer symmetrischen
Einteilung in ein unregelmäßig gestaltetes
Gartengrundstück, wobei um dieser
geometrischen Formen willen die notwendigen
Verbindungen unmöglich gemacht werden, ist
ebenso fehlerhaft, wie der soeben geschilderte
unregelmäßige Garten. Verständigerweise wird
die Zweckmäßigkeit die Einteilung der Gartenfläche
bestimmen müssen. Die Zwecklosig-
keit des Vorgartens für den Besitzer ist z. B.
ein Hauptgrund dafür, daß so selten eine befriedigende
Vorgartenlösung angetroffen wird.
Soll uns aber die Zweckmäßigkeit leiten, so
wird es darauf ankommen, die Zwecke zu ermitteln
, welchen der Garten im einzelnen
Falle entsprechen soll.

Seinen früheren Beruf, die Familie mit Gemüse
zu versorgen, hat der Garten am Hause
längst verloren, denn bei den teuren Bodenpreisen
in der Stadt, den anders gearteten
Arbeitsverhältnissen kauft man die Gemüse
viel billiger, ganz abgesehen davon, daß sie
in den engumschlossenen Gärten zwischen
den hohen Häusern nicht einmal gedeihen. Der
Gemüsegarten wird zu einem anspruchslosen
Küchengärtchen herabsinken, in welchem
Petersilie, Schnittlauch, Kohl und wie die
Küchenkräuter alle heißen, ein Plätzchen finden
, wohl am besten in Zusammenhang mit
dem Hofraum, der notwendig zu Haus und
Garten gehört.

Obst wird mancher Besitzer in seinem Garten
haben wollen, selbst wenn nur geringe
Mengen darin gezogen werden können. Einen
Rasenplatz, der wohl auch hie und da als
Bleiche dient, wünscht sich die Hausfrau,
ebenso viele Blumen, um sich im Garten
daran zu erfreuen und die Räume des Hauses
damit auszuschmücken. Alle Bewohner aber
wollen im Garten Pflanzengrün sehen. Und
wenn auch mancher große Freude an Bauwerken
, Säulen, Mauern, Treppen, Statuen,
Vasen usw. hat, so will er das alles doch im
Grünen sehen.

Der Garten ist aber auch ein Raum zum
Wohnen in der angenehmen Jahreszeit. Er
soll zum Ausruhen, zum Lustwandeln, zur
Einnahme der Mahlzeiten, zu geselliger Vereinigung
, zu Sport und Spiel die geeigneten
Räume bieten. Für die meisten der eben
aufgeführten Betätigungen soll auch die Wohnung
da sein. Deshalb ist eine der wichtigsten
Forderungen für einen guten Hausgarten
sein enger Anschluß an das Haus. Die
intimsten Reize eines Gartens sind deshalb

meist da zu finden, wo das Haus in den Garten
übergeht, wo die im Haus durch Mauern
umschlossenen Räume offene Veranden, die
Gänge grün überwucherte Pergolen, die Dek-
ken luftige Blätterdächer werden.

Je nach dem Bedürfnis und nach der Eigenart
des Besitzers wird bald diese bald jene praktische
Forderung im Garten stärker hervortreten
, wobei es besonders darauf ankommt,
ob der Garten Gelegenheit zu eigener praktischer
Betätigung bieten soll oder nicht. Mit
dem Garten sollte es gemacht werden wie mit
dem Wohnhaus. Die Zeit, wo man erst den
Fassadenentwurf und dann den Innenraum
aufteilte, ist doch vorüber. Heute zählt der
Bauherr dem Baumeister seine Wohnbedürfnisse
auf, und dann geht es ans Ueberlegen.
Die Küche soll nach Norden liegen, die Schlafzimmer
sollen Sonne haben, das Studierzimmer
soll dem Straßenlärm entzogen werden usw.
Danach entwirft der Architekt das Haus, und
die Inneneinteilung kennzeichnet sich in den
Fassaden.

Wollte ich für mich und meine Familie
einen Hausgarten anlegen lassen, so würde
ich erst alle oben angeführten Bedürfnisse
aufzählen. Da müßten sein: Spazierwege, ein
Sitzplatz am Hause unter einem großen, schattigen
Baum, an der Außengrenze, möglichst
weit vom Hause entfernt, ein Gartenhäuschen
und ein Laubengang, ein Turn- und Spielplatz
für die Kinder, vielleicht auch ein Tennisplatz
. Ferner wünschte ich einen Laufbrunnen,
dessen Wasser an anderer Stelle ein steinumfaßtes
, flaches Becken speiste.

An Pflanzen hätte ich folgende Wünsche.
Zunächst allerlei Obst, nämlich Aepfel, Birnen
, Pflaumen, Kirschen, Pfirsiche, Aprikosen,
Wein, Johannisbeeren, Stachelbeeren, Himbeeren
und Erdbeeren. Dann schattenspendende
Bäume und schönblühende Sträucher,
besonders Flieder, Goldregen, schönblühende
Zieräpfel, Schneeball, Hollunder und nicht
zu vergessen Rosen, sowohl Wildrosen wie
veredelte Rosensorten. Endlich viele Blumen.
Im frühesten Frühjahr müßten Schneeglöckchen
, Christblumen, Winterling, Primeln, Krokus
, Narzissen, Veilchen, und wie die lieben
Frühlingsblumen alle heißen, in Fülle vorhanden
sein. Nachdem diese verblüht wären, müßte
das Heer der Sommerblumen, Stauden und
Zwiebelgewächse sie ablösen, bis die Herbstastern
den Flor beendeten. Ein Grasstück und
ein Eckchen, das meine Kinder selbst bebauen
könnten, würden meinen Wunschzettel vervollständigen
.

Nun wäre zu versuchen, ob und wie sich
meine Wünsche auf dem Gartengrundstück

Dekorative Kunst. XI. 8. Mai 1908.

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